: Geld plastiktütenweise
■ Inflation, Defizite und Arbeitslosig- keit, das ist die Wirtschaft Angolas
Luanda (taz) – In Luanda erzählen sich die Leute, daß sich ein Fünfhunderttausender-Schein in der Hosentasche in zehntausend Kwanzas verwandelt. Gängige Metapher in einem Land, in dem die Währung förmlich zwischen den Fingern zerrinnt. Im vergangenen Jahr betrug die Inflationsrate in Angola knapp 1.000 Prozent, 1993 waren es noch 1.800 Prozent. Wer in der angolanischen Hauptstadt einkaufen will, muß entweder Geld plastiktütenweise herumschleppen, was angesichts der immens hohen Kriminalitätsrate nicht sehr ratsam ist, oder in US- Dollars bezahlen. Offizieller Wechselkurs derzeit: ein US-Dollar zu 2 Millionen Kwanzas.
Die wirtschaftliche Lage Angolas hat sich nach dem Wiederausbruch des Bürgerkrieges 1992 noch einmal rapide verschlechtert. Die heimische Industrie ist zusammengebrochen oder zerstört, mit Ausnahme von Obst und Gemüse müssen so gut wie alle Güter importiert werden. Legt man für das Jahr 1970 einen Industrialisierungsindex von 100 zugrunde, lag er 1993 noch bei 7,5, in diesem Jahr schätzungsweise bei 2,7.
Dabei ist Angola wegen seiner großen Öl- und Diamantenvorkommen im Vergleich zu den meisten Staaten im südlichen Afrika ein reiches Land. Der einzigen Studie zufolge, die neuere Wirtschaftsdaten liefert, produzierte das Land 1993 186 Millionen Barrel Öl (1992: 197 Millionen) und 1,2 Milliarden Karat Diamanten. Dennoch betrug 1993 das Defizit im Staatshaushalt 1,5 Milliarden US-Dollar.
Die Zahlung von Auslandsschulden (etwa 10 Millionen US- Dollar) wurde fast vollkommen eingestellt. Die Ausgabenpolitik ist teilweise bizarr: 1992 wurden etwa 40 Prozent aller langfristigen Kredite für den Kauf von Autos bewilligt, wogegen nur vier Prozent an die Landwirtschaft und 1,74 Prozent in die Industrie gingen. Benzin wird zu fast 100 Prozent vom Staat subventioniert.
Die Verstädterung hat durch den Krieg drastisch zugenommen. Die Hauptstadt Luanda etwa hatte im Jahr 1992 1,6 Millionen Einwohner, von denen knapp 600.000 Flüchtlinge waren. Neuere Zahlen gibt es nicht, jedoch dürfte der Anteil der Flüchtlinge weiter gestiegen sein. Die Arbeitslosigkeit ist immens: In Luanda sind 56 Prozent der Einwohner im arbeitsfähigen Alter, davon haben aber nur knapp 40 Prozent tatsächlich eine Arbeit. Besonders betroffen sind Frauen: Sie stellen nur 26 Prozent der beschäftigten Bevölkerung. Mehr als zwei Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung sind Analphabeten oder haben eine schlechte Schulbildung, nur 1,79 Prozent haben eine höhere Schulbildung. Kordula Doerfler
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