: Mannweiber sind glücklicher Von Ute Scheub
Welch Triumph, welche Erleichterung! Nach monatelangem Jammern hatte ich als junges Mädchen durchsetzen können, daß die Kleidchen im Schrank blieben. Endlich konnte ich auch sonntags rumtoben und mußte nicht mehr jeden Dreckfleck auf Erden mit zehn Kilometer Abstand umrunden. Seit jener Zeit habe ich Hosen und T-Shirts praktisch nicht mehr ausgezogen. Noch heute danke ich den 68ern auf Knien, daß sie die Unisexmode erfanden und mich von Faltenröcken und Wollkniestrümpfen befreiten.
Und nun scheint sie plötzlich wiedergekehrt, die längst überwunden geglaubte Repressionsm(eth)ode. Die emanzipiertesten Frauen lassen sich dabei erwischen, wie sie ihre Töchter schon im Kita-Alter wie für den Laufsteg ausstaffieren und stundenlang Röckchen bügeln und Blüschen plätten. Die Mädchen schauen dabei zu und lernen fürs Leben.
Dabei ist es sozusagen amtlich, daß die psychischen Probleme für Mädchen und Frauen um so größer werden, je „weiblicher“ sie sich identifizieren. Die weißen Kleidchen, die ihnen irgendwann in ihrer Psyche festwachsen, haben ihnen nie erlaubt, sich frei und selbstbewußt zu bewegen. Umgekehrt wird in einem runden Dutzend wissenschaftlicher Studien bewiesen, daß Mädchen und Frauen sich um so wohler in ihrer eigenen Haut fühlen, je mehr „männliche“ Eigenschaften sie bei sich selbst zulassen können – als da wären Durchsetzungsfähigkeit, Unabhängigkeit, Aktivität.
Und überhaupt: Je weniger die Geschlechtsunterschiede kulturell überhöht werden, desto glücklicher und friedlicher gestaltet sich das Zusammenleben. Der Humanethnologe Wulf Schiefenhövel formuliert es zwar nicht in diesen Worten, aber sein exemplarischer Vergleich zweier Kulturen in Melanesien läßt keinen anderen Schluß zu. Schiefenhövel hat Beobachtungen bei den westguineischen Eipos und den Trobriandern im Osten Melanesiens zusammengetragen. Die Eipos sind patrilineal organisiert, die Trobriander matrilineal. Bei den Eipos leben die jungen Männer in „Männerhäusern“ im Zentrum eines Dorfes zusammen, in ständiger Angst vor den Frauen und ihrem „schädlichen“ oder sogar „lebensbedrohlichen“ Menstruationsblut und Vaginalsekret. Die locker eingestellten Trobriander indes würden über solch einen Quatsch nur lachen, Männer und Frauen kennen keinerlei Berührungsängste voreinander. Die Eipo-Männer fechten ständig Kriege mit ihren Nachbarn aus. Bei den Trobriandern hingegen sind keinerlei bewaffnete Auseinandersetzungen größeren Stils dokumentiert. Kein Zufall also, daß auch der Modestil zwischen beiden Stämmen enorm differiert. Die Eipo-Männer tragen auffällige Peniskalebassen, die ihr Glied um ein Vielfaches verlängern, und eng gewickelte Rotanggürtel, um schmale Hüften und breite Schultern zu betonen; ihre Frauen haben nur Baströckchen um. Bei den Trobriandern hingegen tragen die Männer zumindest bei bestimmten Feiern ebenfalls Röcke, Geschlechtsverwechslungen sind keineswegs ausgeschlossen. Die friedlichen Melanesier entpuppen sich also als altertümliche 68er, die die Unisexmode lange vor den Hippies erfunden haben und unseren Söhnen und Töchtern als leuchtendes Vorbild dienen könnten.
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