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Benzol im Blut dank SPD und CDU

■ Benzolverordnung sorgt für Krebs: Selbst bei extremen Konzentrationen darf weiter gerast werden

Berlin (taz) – Der Bundesrat will morgen mit den Stimmen fast aller SPD-regierten Länder eine Benzolverordnung in Kraft setzen, die Krebstote in Kauf nimmt. Nach der Verwaltungsvorschrift über Verkehrsbeschränkungen bei zu hohen Benzol- und Dieselrußwerten darf selbst bei extremen Konzentrationen dieser krebserregenden Stoffe auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen weiter gerast werden.

Auch die AnwohnerInnen von Ortsdurchfahrten will der Gesetzgeber nur in Ausnahmefällen schützen – nämlich dann, wenn „verkehrstechnisch zweckmäßige Alternativen zur Aufnahme des Verkehrs bestehen“. Letztendlich könnten also allenfalls Nebenstraßen gesperrt werden. Dort aber tritt das Problem selten auf, während da, wo es auftritt, die Verwaltungsvorschrift die Problembekämpfung von vornherein verhindert.

Wie aus dem Ausschußprotokoll zur Vorbereitung der Bundesratssitzung hervorgeht, sind nur Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gegen eine Verabschiedung dieser Vorschrift. Hessen hat zwar zunächst ebenfalls einen Ablehnungsantrag unterstützt, der die zahlreichen Ausnahmeregeln kritisiert. In der Schlußabstimmung aber waren die Verhandlungsführer aus dem rot-grün regierten Land dann doch dafür. So belegt es das Papier, das der taz von Greenpeace übermittelt wurde. „Besser erst einmal überhaupt eine Regelung als gar keine“, lautet die Begründung aus dem Umweltministerium in Wiesbaden. Die Bundesregierung hat das Inkrafttreten der Prüfwerte für Benzol, Dieselruß und Stickstoffdioxid nämlich an die Verabschiedung der Ausführungsbestimmung gekoppelt.

So dürfen die Emissionsschutzbehörden ab dem 1. Juli Alarm schlagen, sobald sie mehr als 14 Mikrogramm Ruß und 15 Mikrogramm Benzol pro Kubikmeter Luft feststellen; drei Jahre später werden die Werte etwas gesenkt. Die Prüfung geeigneter Maßnahmen ist dann allerdings Aufgabe der Straßenverkehrsbehörden.

„Die Werte sind viel zu hoch angesetzt“, kritisiert Karsten Smid, Verkehrsexperte von Greenpeace. Die Enquetekommission des Bundestages zum Schutz der Menschen und der Umwelt hatte nur eine Konzentration von einem Mikrogramm Benzol pro Kubikmeter Luft für hinnehmbar gehalten. Und der Länderausschuß für Immissionsschutz wollte den BürgerInnen höchstens 2,5 Mikrogramm zumuten.

Das Bundesumweltministerium hingegen hat unter dem Druck der Autolobby und des Verkehrsministeriums den sechsfachen Wert in ihre Verordnung geschrieben: Statistisch gesehen bedeutet das, daß 98 Krebstote auf 100.000 EinwohnerInnen in Kauf genommen werden. Tatsächlich aber werden infolge der Ausnahmeregelungen noch mehr Menschen dem Benzol zum Opfer fallen – die morgen verabschiedete Verwaltungsvorschrift ist Garant dafür. Annette Jensen

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