: Spritzen wie auf dem Hühnerhof
■ PatientInnenstelle kritisiert die Bremer Zwei-Minuten-Medizin
„Ich hatte drei Jahre Schmerzen im Halswirbel, und dies wurde von meinem Arzt als Simulation diagnostiziert. Jetzt habe ich einen großen Tumor.“ Oder: „Mein Orthopäde spritzt wie auf dem Hühnerhof. Hinter jedem Vorhang sitzt ein Patient.“ Typische Beschwerden, mit denen Betroffene seit Ende 1993 die „PatientInnenstelle des Bremer Gesundheitsladens e.V.“ aufgesucht haben. Die hilfreiche Adresse in der Hamburger Straße legte gestern einen Tätigkeitsbericht vor, mit dem sie zeigen möchte, wie sinnvoll und effektiv die im September 1993 gegründete und vom Senator für Gesundheit geförderte Institution arbeitet.
Die PatientInnenstelle, die nur an zwei Tagen in der Woche je zwei Stunden geöffnet hat, unterscheidet zwischen Anfragen und Beschwerden. In den ersten zehn Monaten zählte man in der Hamburger Straße 182 Hilfesuchende. 151 mal wurde gefragt, 108 mal geschimpft.
Satte 70 Prozent der Klienten waren Frauen. In immerhin 40 % der Anfragen ging es um juristische Fragen. Die Ärzte, die am meisten Kummer machten, waren die Zahnärzte. Hier hagelte es die meisten Fragen und Beschwerden. „Wie ins Mittelalter versetzt“, so Edeltraud Paul-Bauer und Clemens Müller in ihrer Dokumentation, fühle man sich angesichts der Klagen über Organentnahmen beim Gynäkologen, die für überflüssig gehalten wurden oder ohne Einwilligung geschehen waren. Fast ebenso viel Ärger gibt es mit Orthopäden und Neurologen. „Auffallend selten“ seien Beschwerden über praktische Ärzte.
Die PatientInnenstelle versuchte auch so etwas wie eine Erfolgskontrolle – bei so geringen Nutzerzahlen natürlich problematisch. Ergebnis: „Die befragten PatientInnen äußerten sich durchweg so, daß unsere Unterstützung hilfreich war.“
Die PatientInnenstelle ist oft die letzte Anlaufstelle, nachdem Unzufriedene es schon bei der Ärztekammer, einer Rechtsberatung oder der Krankenkasse vergeblich versucht haben. „Uns ist kein Fall bekannt geworden,“ heißt es in der Dokumentation, „in dem PatientInnen von ihrer Versicherung in der Beschwerdeführung Unterstützung fanden.“ BuS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen