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Breminale kommt wieder in Schwung

■ Bremens neunte eint die Kulturen und überfordert die Wählerischen an der Essensausgabe

„Wie soll ich das denn alles probieren“, fragt eine verzückte Breminälin angesichts der langen Reihe von Buden, aus denen es von exotisch bis Bratwurst riecht. „Wenn du schnell genug ißt“, antwortet der Begleiter lakonisch.

Tatsächlich gibt es Futter reichlich, und schon am frühen Nachmittag hinterläßt die Völlerei unter den Tischen und Bänken auf den Weserwiesen deutliche Spuren eines fulminanten Gelages. „Scheiß Konsummmeile“, kommentiert ein junger Mensch angewidert die Verkaufsstände, an denen Menschen ihren Magen, Schmuckschatullen oder Kleiderbestände auffüllen. Solcherlei Kurzweil verursacht in dem 17jährigen Tom regelrechten Ekel. Er hat sich sogar sein eigenes Bier mitgebracht. „Bin ich denn bescheuert und zahl 4,50 Mark für einen Nulldreier?“

Tom und seine Kumpels halten sich nur im vorderen Bereich der Breminale auf, da, wo die „Flut“ abgeht, wo Streetball-Turniere toben, der HipHop groovt, wo Bremer Bands und DJ's dröhnen, wo Film- sich mit Computerkunst paart und politische Basisinitiativen zu Wort und Publikum kommen. Den hinteren Teil, über dem das Kraftwerk-Zelt thront, überlassen sie gern dem Blues der Älteren, nicht ohne eine gewisse Überlegenheit im Grinsen: „Sollen die doch 35 Mark Eintritt zahlen.“ Die Kids sind, als hätten sie es selbst geschaffen, stolz auf ihr „Umsonst und Draußen“ inmitten der brandenden „Flut“, wo scheint's kein marktwirtschaftliches Gesetz den Spaß verebben läßt.

„Mit der Flut-Initiative ist eine Welle von Idealismus über die Breminale eingebrochen, der seit den Anfangstagen dieser Veranstaltung so nicht mehr zu spüren gewesen ist“, beschreibt Tom Dreyer in der Schlachthofzeitung Zett die Wiedergeburt der Euphorie, mit der die Breminale als „Weserlust“ einst startete: Damals wurde Bremer Kultur von unten ganz groß geschrieben, auf die Bühne gebracht von der Kucop, zu der sich Kultur- und Jugendzentren zusammengeschlossen hatten. Musik, Literatur, Theater, alles war beim Umsonst-und-Draußen-Event vertreten, erinnert sich Breminale-Mitbegründer und Lagerhaus-Mitarbeiter Uli Pollkläsener. Beinahe zwangsläufig aber veränderte das Projekt im Laufe der Jahre seinen Charakter. Die ABM-Kräfte der Breminale-GmbH garantierten eine sichere Organisation, die mit jedem Jahr aufwendiger wurde. Die inhaltlichen Schwerpunkte verschoben sich, immer mehr und teurere Gruppen wurden von außerhalb engagiert. Eintrittspreise wurden erhoben und stiegen unaufhörlich, die Breminale drohte, ihre Kindheit zu verlieren und am Tropf städtischer Zuschüsse und privater Sponsoren auf konventionelle Art erwachsen zu werden.

„Wir wollten nie ein Stadtfest machen“, blickt Uli Pollkläsener zurück. Die Breminale sollte vielmehr Jugendkultur repräsentieren, ein selbstgestalteter Ausdruck von Lebensform, die, so der Lagerhaus-Mitarbeiter, „in einer Mischung aus Avantgarde und Proll“ für Irritationen sorgte. Doch dafür wurde der Platz im Streit der ideologischen Konflikte zu eng. Mehr und mehr lokale Gruppen aus dem Dunstkreis der Jugendzentren zogen sich zurück, und 1988 blies das Wehrschloß zur ersten Off-Breminale.

Die Konfrontation brachte Verluste auf beiden Seiten. Die Breminale drohte ebenso den Bach runterzugehen wie ihr Off. Die einen planten professionell und machten dennoch Defizite, den anderen reichte der Atem nicht zum kraftzehrenden Überleben im low budget. Im vergangenen Jahr schließlich fanden auf Initiative des Lagerhauses hin wieder Annäherungen statt, die bei der jetzigen Breminale bereits farbenstarke Blüten trugen: Das von den Jugendzentren in Kooperation mit professionellen Agenturen in nur drei Wochen aufgebaute „Flut“-Programm löste eine riesige Welle von BesucherInnen aus.

„Wir hatten noch nie so viel Publikum wie in diesem Jahr“, freut sich Breminale-Geschäftsführer Manfred Fleckenstein. Darunter freilich nicht nur Jugendliche, auch die Älteren pilgerten wieder zuhauf zur Breminale. Sie ist auf dem besten Weg, wie früher Treffpunkt zu werden, statt Konzertangebot. Man trifft sich, plaudert, verbringt ganze Tage bei Bier, Bratwurst und Blues, bei Salsa, Reggae und HipHop. „Es mischt sich wieder“, kommentiert Uli Pollkläsener den Besucherstrom. Und das findet er gut. Schließlich haben beide Seiten was davon: die lokalen Bands und KünstlerInnen haben ein Publikum, das sie sonst nie vorfinden würden, und die Breminale zeigt nach dem Flut-Lifting ein deutlich lebendigeres Profil. „Beide Extreme hätten nicht überleben können“, zieht Pollkläsener Bilanz, „aber diese Breminale zeigt, daß sich beides verträgt.“

Das denkt auch Manfred Fleckenstein. Aber trotz „optimaler Erfahrungen“ ist ungewiß, ob es auch im nächsten Jahr eine Neuauflage des Spektakels gibt, denn die Finanzierung steht auf wackeligen Füßen. Zwar stellt die Stadt das Gelände umsonst zur Verfügung, gibt ansonsten jedoch keine Zuschüsse. Allein die Flut-Gigs wurden teilweise aus Projektgeldern der Jugendzentren gespeist. Die Breminale-GmbH muß ihre Kosten über die Eintrittsgelder am Blueszelt und den Bierverkauf decken. „Auf Null werden wir nicht kommen“, überschlug Fleckenstein gestern die Rechnungen. „Aber wir hoffen, daß wir mit einem blauen Auge davonkommen, und daß es auch eine Breminale '96 gibt.“ Kämpferischer gibt sich Uli Pollkläsener: „Dies ist ein magischer Ort“, blickt er sich um. „Und deswegen bleiben wir hier.“ dah

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