■ Schnelle Eingreiftruppe – Weg aus dem UNO-Desaster?: Die Weltgemeinschaft als Geisel
Mehr als 5.000mal wurde das vom UNO-Sicherheitsrat beschlossene Flugverbot für Bosnien verletzt, das dieser seit März 1993 mit Hilfe der Nato durchzusetzen versuchte. Die Verletzungen der zahllosen UNO-Resolutionen zur humanitären Hilfe, zum Schutz der Sicherheits- und der Sperrzonen und der Zivilbevölkerung sind ungezählt. Mit den Geiselnahmen von UNO-Soldaten sowie mit dem Abschuß eines der modernsten Nato-Flugzeuge mittels einer der 1994 stationierten russischen SA-6-Raketen haben die Karadžić-Serben den Möglichkeiten der internationalen Gemeinschaft, ihre Autorität notfalls durch militärische Sanktionsmaßnahmen gemäß Kapitel 7 der UNO-Charta durchzusetzen, ein wahrscheinlich mehr als nur vorläufiges Ende bereitet.
Eine Schnelle Eingreiftruppe soll dem Desaster der internationalen Bosnien-Politik nun Abhilfe schaffen. Sie soll die UNO-Soldaten besser schützen. Zahlreiche Militärs und Experten haben indessen in den letzten Tagen den Zwitter des friedenserhaltenden Einsatzes in einem Land, in dem kein Friede herrscht, kritisiert, insbesondere die für die Effizienz der Nato-Einsätze fatale Einbindung der Nato in UNO-Strukturen. Dennoch wird nun diese Eingreiftruppe wieder dem Kommando der UNO unterstellt. Der Zwittereinsatz der Vergangenheit wird auf höherer Stufe fortgesetzt. Nicht Kriegspartei zu werden auf seiten der bosnischen Regierungstruppen, wie der britische Außenminister Hurd erneut mahnt, bedeutet, weiter der Ideologie von Neutralität gegenüber den serbischen Kriegsverbrechern um Karadžić zu frönen.
Und die UNO-Geiseln? Die Karadžić-Serben haben von Anfang an klargemacht, daß eine Freigabe aller Geiseln für sie nur im Falle von Garantien in Frage kommt, daß UNO und Nato auf militärische Handlungen gegen sie verzichten. Die Beteuerungen der UNO, man fordere eine Freilassung ohne Bedingungen, bleiben Wortgeklingel. Die militärischen Mittel der UNO und der Nato bleiben stumpf, solange die Geiseln in den Händen der Karadžić-Serben sind. Es ist kaum vorstellbar, warum diese mit ihrem wertwollen Faustpfand der Geiseln nicht ebenso Einsätze einer Schnellen Eingreiftruppe unwirksam machen sollten.
Die internationale Gemeinschaft ist selbstverschuldet zur Geisel serbischer Extremisten geworden; zur „brutalen Entschlossenheit der Serben um Karadžić“ hat sie, wie Verteidigungsminister Rühe sagt, „kein Gegengewicht“. Sie wird nicht nur gedemütigt, verliert nicht nur an Autorität. Ihre Sicherheitsstrukturen werden de facto unterhöhlt. Johannes Vollmer
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