: Häuser für die Ärmsten der Armen
Südafrikas Regierung startet Wohnungsbaukampagne / Kredite für Geringverdiener / 13 Prozent Weiße verdienen Hälfte des nationalen Einkommens ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler
Als der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) vor gut einem Jahr bei den ersten freien Wahlen in Südafrika um Wählerstimmen warb, versprach er vor allem eines: die elenden Lebensverhältnisse der schwarzen Bevölkerung zu verbessern. Nach dem Machtwechsel am Kap war der ANC mit einem ehrgeizigen Programm angetreten. Binnen der nächsten fünf Jahre wollte die neue ANC-geführte Regierung eine Million neue Häuser bauen lassen, um die immense Wohnungsnot unter der schwarzen Bevölkerungsmehrheit zu lindern. Am vergangenen Wochenende hat die Regierung nun eine landesweite Kampagne gestartet, mit der dieses Vorhaben endlich vorangetrieben werden soll.
In sämtlichen Zeitungen des Landes wird eine ziemlich kompliziert aufgebaute, viersprachige Beilage verteilt mit dem schönen Titel „Home truths“. Sie richtet sich an Hausbesitzer und potentielle Hauskäufer, die weniger als 3.500 Rand (1.400 Mark) im Monat verdienen – und damit an weit mehr als 90 Prozent der schwarzen Bevölkerung.
Seit dem 1. Juni stellt die Regierung für das laufende Jahr eine Summe von knapp drei Milliarden Rand (1,2 Milliarden Mark) für das Wohnungsbauprogramm zur Verfügung. Darüber hinaus wurde mit den meisten Banken Südafrikas eine Übereinkunft erzielt, auch Menschen mit niedrigem Einkommen Kredit zu gewähren. Bis zu 50.000 Kredite sollen jetzt ein Jahr lang zu günstigen Konditionen vergeben werden.
Ziel ist es, einfache Häuser mit fließendem Wasser, Kanalisations- und Stromanschluß zu bauen. In Mustersiedlungen rund um Johannesburg kann man solche Häuser, die im letzten Jahr gebaut worden sind, bereits besichtigen. Ein Haus mit einfacher Ausstattung kostet derzeit in Südafrika, je nach Quadratmeterzahl, zwischen 30.000 und 40.000 Rand (12.000 bis 16.000 Mark) – unbezahlbar für die meisten Schwarzen.
Künftige Eigenheimbesitzer haben jetzt mehrere Möglichkeiten, dem Traum vom eigenen Haus näherzukommen. An Haushalte oder Personen mit weniger als 600 Mark Monatseinkommen vergibt die südafrikanische Regierung bis zu 3.000 Mark, die nicht zurückgezahlt werden müssen und sogar mehrfach beantragt werden können.
Wer über dieser Einkommensgrenze liegt, kann bei den Banken einen Kredit beantragen. Er muß nachweisen, daß er in der Lage ist, ihn monatlich abzubezahlen und muß mindestens fünf Prozent der Kosten des Hauses hinterlegen. Wer über solches Kapital nicht verfügt, kann in speziellen Sparprogrammen, die mindestens neun Monate laufen müssen, das Geld ansammeln. Es ist auch möglich, daß sich mehrere Personen oder Haushalte zu einer Kooperative zusammenschließen.
In insgesamt 14 Gebieten soll das Programm vorerst anlaufen, von denen die Hälfte in der bevölkerungsreichsten Provinz Gauteng rund um Johannesburg liegt. Weitere 150 Gemeinden sind nach Angaben von Wohnungsbauministerin Sankie Mthembi-Nkondo (ANC) bereits ausgewählt. Sie will mit dem Programm auch einen pädagogischen Effekt erzielen: Voraussetzung für die Teilnahme von Kommunen ist, daß dort Mieten und Steuern regelmäßig bezahlt werden – was in vielen schwarzen Townships bislang nicht der Fall ist. Viele Schwarze sind nicht in der Lage oder wissen nicht, daß sie ihre Häuser monatlich abbezahlen müssen. Sie laufen deshalb Gefahr, schon nach kurzem wieder aus ihren vier Wänden hinausgeworfen zu werden. „Zu allererst müssen wir dem Nichtbezahlen ein Ende setzen“, so Mthembi- Nkondo in der vergangenen Woche. „Wir können unser Ziel, Häuser für die Nation zu bauen, nur erreichen, wenn jeder für sein Haus bezahlt.“
Auch nach dem Machtwechsel sind die Einkommen in Südafrika extrem ungleich verteilt. Weiße, die nur knapp 13 Prozent der rund 40 Millionen Einwohner ausmachen, verdienten 1994 fast soviel wie die Hälfte des nationalen Einkommens.
Schwarze hingegen, mit einem Bevölkerungsanteil von 76 Prozent, verdienen zusammen nur etwa 38 Prozent des nationalen Einkommens.
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