: Grün/rot: Land unter
■ Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller: Ein Plädoyer gegen die grüne Gefahr
Frank Haller hat sich aus der Deckung gewagt. Der Staatsrat im Wirtschaftsressort hat ein Positionspapier gegen eine rot/grüne Koalition vorgelegt. Wir dokumentieren Auszüge:
Bekämpfung der Abwanderung von Einwohnern und Arbeitsplätzen: Seit 1980 hat die Stadt Bremen mehr als 100.000 Einwohner an die Randgemeinden verloren, aber nur 67.000 dazugewonnen. Neben dem Negativsaldo ist auch zu beklagen, daß die abwandernden Bürger eine erheblich günstigere Sozialstruktur aufweisen als die Zuwanderer, was die Finanzlage Bremens doppelt belastet.
Grün/rot geht von der Gesamtregion aus und vernachlässigt die negativen finanziellen Konsequenzen der Abwanderung für Bremen. Beim Gewerbe wird eine illusionäre Arbeitsteilung zwischen Bremen und Niedersachsen unterstützt. (...) Bremen kann es sich nicht leisten, am Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ teilzunehmen, statt sich um den Ausbau der oberzentralen Funktionen und überregional orientierten Arbeitsplätze in Bremen zu kümmern.
Umsetzung der Sparauflagen
Grün/rot hat große Probleme, der Bevölkerung die notwendige Reduzierung der Versorgungsstandards zu erläutern. Beide betreiben eine ausgeprägte Klientelpolitik (akademischer öffentlicher Dienst, Randgruppen, Freibadbenutzer, Radfahrer usw.). (...) Mit einem schlanken Staat kann die SPD, heute praktisch vom öffentlichen Dienst beherrscht, ihre Versorgungsfunktion und die auch heute noch weitgehend sozialdemokratisch geprägte Verwaltungsstruktur nicht mehr aufrechterhalten. Der beschrittene Weg der verstärkten Einführung von Eigenbetrieben droht in eine Sackgasse zu führen. (...)
Schon in der Vergangenheit ist immer wieder an der Gebühren- und Steuerschraube gedreht worden. Unter dem ökologischen Deckmantel sind neue Abgaben erfunden worden (Grundwasser, Abfall). Bei den Müllgebühren ist unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, die Müllverbrennungsanlage 1997 schließen zu wollen, eine Gebührenexplosion für Bürger und Gewerbetreibende organisiert worden. (...) Grün/rot wird unter dem Deckmantel der notwendigen Erbringung von Eigenanstrengungen die Belastungsfähigkeit der Bürger und Gewerbetreibenden bis zur äußersten Grenze austesten.
Zukunftsinvestitionen
Mit dem Investitionssonderprogramm (ISP) (...) besteht die Möglichkeit, die wirtschaftsstrukturpolitischen Programme ausreichend zu dotieren und Großprojekte zu finanzieren (...) (Hemelinger Tunnel, A281, Fischereihafenschleuse Bremerhaven). Schon in der Ampelkoalition haben die Grün-roten solche Projekte mit hoher Skepsis betrachtet.(...)
Aktuell wird bei Grün/rot die Debatte geführt, daß auch Personalkosten für Lehrer, Wissenschaftler, Krankenschwestern, Sozialarbeiter usw., als „Investitionen in die Zukunft“ ansehen müßte (...), ob nicht neue Straßenbahnlinien Krankenhausinvestitionen, Sanierung der öffentlichen Einrichtungen usw. ebenfalls die Wirtschaftskraft stärken. Am Ende wird bei Grün/rot die Verwendung der Mittel des Investitionssonderprogramms zur Beliebigkeit verkommen.(...)
Verkehrspolitik: Mit dem ISP besteht die Möglichkeit, den enormen Nachholbedarf beim Ausbau der bremischen Verkehrsinfrastruktur schrittweise auszugleichen (u.a. Bitter-Trasse, Verlängerung B75. d.Red.). (...) Bei Grün/rot wird diese Verkehrsinfrastruktur nicht entstehen. (...) Bremen wird verkehrspolitisch stranguliert und damit seine wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit endgültig verlieren. (...)
Gewerbeflächen: (...) Bremen hat die einmalige Chance, attraktive Gewerbeflächen in optimaler verkehrlicher Lage dem überregionalen Mark anzubieten. (...) Grün/rot wird diesen Weg nicht mitgehen. Die Erfahrungen der Vergangenheit mit einer grün/roten Flächenideologie bestehen darin, daß kein angebotsorientiertes Verhalten akzeptiert, sondern der Nachweis eines zukünftigen Flächenbedarfs verlangt wird. (...) So haben auch die Umlandgemeinden bei Grün/rot weiterhin gute Chancen, dadurch zu profitieren, daß gerade die expandierenden Betriebe aus Flächenmangel Bremen verlassen.(...)
Dienstleistungsbereich: Bremen hat einen großen Bedarf an weiteren überregionalen Dienstlei-stungsarbeitsplätzen. (...) Grün/rot ist zwar gegenüber der Entwicklung des Dienstleistungsbereichs grundsätzlich positiv eingestellt (keine Schornsteine!), sieht aber in der Überdimensionierung von Dienstleistungsprojekten ökologische Konsequenzen (Verkehrsaufkommen), die in der Realität die Wertigkeit vieler Projekte wieder relativieren. (...) Grün/rot wird die Zugänglichkeit der City weiter einschränken, so daß die Expansion von Dienstleitungsarbeitsplätzen im Innenstadteinzelhandel nicht möglich sein wird. (...) Bei den Häfen besteht die Gefahr, daß sie zum Spielmobil grün/roter Stadtentwickler werden. (...) Bei den Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen steht Grün/rot immer wieder vor der Problematik, viele zukunftsorientierte Entwicklungen abbremsen zu wollen. Dies gilt z.B. für die Biotechnologie (...).
Ökologie: (...) Bremen muß alles daransetzen, eine beschäftigungswirksame Umweltschutzindustrie zu entwickeln (...). Die Vergangenheit hat gezeigt, daß Grün/rot an der produktiven Entwicklung der Ökologieaspekte kaum interessiert ist. (...) Grün/rote Spezialität ist (...), die Projektverhinderung zu betreiben, insbesondere bei Flächen- und Verkehrsprojekten. (...) Bei der Entsorgungsinfrastruktur werden überwiegend spinnerte Ideen weiterverfolgt. Das gilt einerseits für das bürgerfeindliche Müllkonzept, aber auch für die realitätsfremden Überlegungen zur Aufgabe der Müllverbrennungsanlage. (...)
Regionalkonsens
Die Bremer Erklärung von 1992 hat eine für bremische Verhältnisse einmalige Konstellation in der Gestalt erbracht, daß sich sämtliche Institutionen des Landes zu einem „Allemann-Manöver“ zusammengefunden haben. (...) Grün/rot kann dieses „Allemann-Manöver“, wie oben gezeigt, aus objektiven Gründen nicht realisieren. (...) Das Land Bremen wäre mit Grün/rot unwiederruflich am Ende. Frank Haller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen