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IBM pflückt die welke Lotus-Blüte

■ Nachdem die Kooperation mit Lotus nicht vom Fleck kam, kauft der weltgrößte Computerkonzern den ganzen Laden auf / 3,3 Milliarden Dollar für die Aktien des drittgrößten Software-Hauses sind geboten

Berlin (taz/rtr) – Die alte Tante IBM ist doch noch für Überraschungen gut. „Big Blue“ aus Armonk nördlich von New York City hat den Aktionären der Firma Lotus für jede Aktie 60 Dollar geboten. Bei 55 Millionen Anteilsscheinen macht das summa summarum 3,3 Milliarden Dollar, nach gestrigem Kurs gut 4,6 Milliarden Mark. Lotus aus Cambridge, Massachussets, ist hinter Microsoft und Novell die Nummer drei in der Software-Branche.

Die Begründung zeugt vom Selbsbewußtsein der International Business Machines. Weil Lotus- Chef Jim Manzi angeblich keinen Willen zu einer engeren Zusammenarbeit erkennen ließ, kauft die IBM einfach seine Firma. „Wir halten das für den schnellsten und effizientesten Weg, unsere Unternehmen zusammenzubringen“, so IBM in einem Brief an Manzi. Den Kaufpreis überweist IBM direkt: Trotz einiger katastrophaler Jahre Anfang der Neunziger weist die Bilanz des Computerriesen für das vergangene Jahr bei einem Umsatz von 64 Milliarden Dollar ein Plus von über 5,1 Milliarden aus. Nach eigenen Angaben liegen noch etwa 10 Milliarden Mark auf den Konzernkonten. Interessiert ist IBM vor allem an dem Bestseller „Lotus Notes“. Diese Software erleichtert den Austausch von Dokumenten zwischen verschiedenen Standorten eines Unternehmens oder innerhalb einer Arbeitsgruppe. Lotus ist der Marktführer auf diesem stark wachsenden Gebiet, während IBM keine derartige Software zu bieten hat. Auch das Tabellenprogramm „1-2-3“, die Textverarbeitung „WordPro“ und die elektronische Post „CC:Mail“ käme als Mitgift von Lotus in die Zwangsehe.

Lotus würde damit dringend benötigte Programme für das IBM- eigene Betriebssystem OS/2 Warp liefern. Mit diesem Betriebssystem für Personal-Computer will IBM die Herrschaft der Microsoft-Massenware MS-DOS und Windows brechen. Für die Promotion von OS/2 hat IBM nach Schätzungen schon etwa zwei Milliarden Dollar ausgegeben – bisher allerdings ohne großen Erfolg. Der Firmenkauf setzt die passive Strategie der Software-Branche gegen Microsoft fort: Weil sie die Nummer eins nicht mit neuen Programmen schlagen können, versuchen sie es mit immer neuen Bündnissen.

Laut IBM dauerten die Gespräche über ein Zusammengehen der beiden Konzerne schon über fünf Monate. Das Management von Lotus hingegen zeigte sich überrascht: „Ich habe erst fünf Minuten vor der Bekanntgabe von dem Angebot erfahren“, sagte hingegen Jim Manzi. Wahrscheinlich wird Lotus gegen die Übernahme klagen, um Zeit zu gewinnen. Die Kartellbehörde wird nach Ansicht von IBM-Chef Gerstner nichts gegen den Deal haben, weil auch beide Firmen zusammen auf dem PC-Sektor eine marktbeherrschende Stellung erreichen.

Da Lotus schon bessere Zeiten gesehen und letztes Jahr mit einem Verlust von 20 Millionen Dollar bei einem Umsatz von 970 Millionen Dolar abgeschlossen hat, kann den Aktionären eigentlich nichts Besseres passieren als das IBM- Angebot. Der Kurs der Lotus-Aktien an der New Yorker Börse lag denn auch am Montag mit 61 Dollar fast doppelt so hoch als am Freitag morgen. Gefährlich kann es für das Unternehmen selbst werden. IBM-Boß Lou Gerstner sichert zwar zu, daß Lotus als eigenständiger Konzern weiterexistiert. Auch geht der Titel „meißtgehaßte Firma der Computerbranche“ gerade von IBM auf Microsoft über. Doch ob die wertvollen Programmierer von Lotus auch unter dem Dach der als bürokratisch verschrieenen Big Blue bleiben, wird sich nach Ansicht von Insidern erst noch zeigen. rem

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