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Selbstfinanzierung auf dem Lande

Wie ein Dorf in Brandenburg den Pleitegeier abwehrt und private Investoren ihren Namen auf Straßenschilder schreiben dürfen/ 100 Meter Straßenland für eine Investition von 20.000 Mark  ■ Von Annette Rogalla

Wer in Blumberg einen Hamburger essen will, fährt in die MacDonald's-Straße, wer ein neues Bett sucht, geht zum Möbelhaus in der Möbel-Hübner-Straße, das Abflußrohr fürs Bad findet man in der Ehrig-Hahn-Straße, benannt nach den Vätern des Klempnerunternehmens Bergmann-Franz. Nomen est omen. „Aber wenn Sie nichts mehr haben, nutzen sie alle Chancen.“ Und so verkauft Bürgermeister Hans-UIrich Peters (CDU) die Straßen im Dorf.

Der Gemeindepolitiker von Blumberg, einem Winzkäffchen, fünf Kilometer von der Nordgrenze Berlins entfernt, weiß, wie man mit 2.100 Einwohnern aus dem Schatten der Hauptstadt heraustritt. Zunächst wurde ein Acker zum Gewerbegebiet deklariert, und als die ersten Investoren aus Berlin herübersiedelten, bot Bürgermeister Peters ihnen an, mit dem Firmennamen die Straßenschilder zu zieren. Gegen ein nettes Sümmchen von 20.000 Mark pro Straße, versteht sich. Denn Blumberg ist pleite.

Alles fing damit an, daß der Bürgermeister der Grünen Bürgergruppe, der im Dorf noch im vergangenen Jahr das Sagen hatte, das Handtuch schmiß. Was er hinterließ, waren 160.000 Mark Schulden in der Gemeindekasse. Dann kam noch hinzu, daß die Schule geschlossen werden sollte, weil sie nicht rentabel sei, sagte der Landrat. Die 160 Kinder des Sprengels könnten morgens mit dem Bus zum nahe gelegenen Schulzentrum kutschiert werden. Zwei Katastrophenmeldungen auf einer Gemeinderatssitzung. Düstere Stimmung an jenem Oktoberabend bei Peters und seinen CDU-Kollegen. Bei Korn und Bier, wuchs der Plan vom Wirtschaftswunder. Was ließe sich zu Geld machen? „Wir haben nix, außer den Straßen im Gewerbegebiet“, sagte der Bürgermeister. Die Idee. Schnell schrieb er Briefe an die Investoren, erklärte, daß die Gemeinde arm und die Schule kaputt sei, und man erst in zwei bis drei Jahren mit Gewerbesteuereinnahmen rechnen könne. „Wenn nichts passiert, verfällt in dieser Zeit die Schule, die Kinder gehen in ein anderes Dorf. Aber ohne Schule wird unser Dorf unattraktiv für Stadtleute, die aufs Land ziehen wollen.“ Der Bürgermeister fand Gehör bei den Geschäftsleuten.

„Gemeinsam mit McDonald's finanzieren wir die Renovierung der Schulfassade“, sagt Bernd Höltge, Geschäftsführer im Sanitärbetrieb Bergmann-Franz. Mitte letzten Monats wurden die zwei Straßenschilder für die Hans-Ehrig-Straße geliefert. Hundert Meter Straßenland tragen den Firmennamen. Sogar ein Fest gab's. Die alternde Rock-Röhre Suzie Quadro sang wie früher, und Bernd Höltge erinnerte in seiner Rede daran, wie sehr der Familienbetrieb in Brandenburg verhaftet sei. Dann überreichte er dem Bürgermeister den Scheck: 20.000 Mark. Fünfmal sammelte Peters bislang die Zuwendungen ein.

Grabbelkiste Dorf? Da muß der Bürgermeister doch heftig lachen. „Wenn eine Gemeinde finanziell am Ende ist, muß man das Geld nehmen, wie es kommt. Früher hatten wir eine Ernst-Thälmann- Straße. Der ist hier aber nicht ein einziges Mal aufgetaucht.“ Präsent sind die neuen Herren zweifellos. Und wenn es Möbel-Hübner mal zu eng werden sollte in Blumberg, dann wird Peters auch nicht gram sein. „Umbenennen können wir doch immer.“ Und neu kassieren. Eine Art moderne Zwischenfinanzierung für bankrotte Dörfer.

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