: „Besorgniserregende Fakten“
■ Alarmierende Leukämie-Häufung in Pinneberger Gemeinde
Eine außergewöhnliche Häufung von Leukämie-Erkrankungen in der Gemeinde Klein Offenseth-Sparrieshoop im Landkreis Pinneberg (taz berichtete) wurde jetzt durch eine Studie bestätigt. Danach wurden bei EinwohnerInnen über 15 Jahren 55 Prozent mehr Blutkrebsfälle beobachtet als in Vergleichsgebieten. Zu diesem Ergebnis kommt eine epidemiologische Untersuchung einer Forschungsgruppe im Auftrag von Schleswig-Holsteins Gesundheits- und Sozialministerin Heide Moser (SPD).
Gemeinsam mit der Ministerin stellte Prof. Heiner Raspe, Leiter des Wissenschaftler-Gremiums, das Ergebnis der Studie gestern in Pinneberg vor. Wie Raspe erläuterte, hat es in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1990 und dem 31. Mai 1995 in dem Untersuchungsgebiet insgesamt 134 Fälle von Lymphdrüsenkrebs, Bindegewebsgeschwülsten und Leukämien gegeben. Diese Zahlen wurden aus Befragungen von Ärzten, Krankenhäusern, Tumorzentren und aus der Auswertung von Totenscheinen gewonnen. Während das Vorkommen der anderen Krankheitsarten sich nicht wesentlich von dem in den gewählten Vergleichsgebieten in Dänemark und im Saarland unterscheide, sprach Raspe bei der Leukämie von einer „wesentlichen Auffälligkeit“. Eine Häufung von Blutkrebsfällen bei Kindern wurde hingegen nicht festgestellt.
Ministerin Moser wertete das Ergebnis als „besorgniserregend“; die Fakten seien „alarmierend“. Zur weiteren Überprüfung will sie sich beim Bund dafür einsetzen, daß die Untersuchungsregion und weitere Teile der Landkreise Pinneberg und Steinburg in eine nationale Fall-Kontrollstudie des Umweltministeriums einbezogen werden.
Nach Mosers Plänen soll schon 1996 ein landesweites Krebsregister eingerichtet werden. Außerdem nahm sie die Empfehlungen der Experten als Prüfaufträge an, wozu das Erarbeiten von Aktionsplänen für künftige Häufungsmeldungen und der Ausbau der Sterbedatenuntersuchungen zählen.
Die jetzt abgeschlossene Untersuchung war angeordnet worden, nachdem im Februar allein in der 2 150 Einwohner zählenden Gemeinde Klein Offenseth-Sparrieshoop fünf Fälle von Blutkrebs entdeckt worden waren. Über Ursachen kann weiterhin nur spekuliert werden. Im Gespräch sind Pestizide aus den Baumschulen, die Wellen einer Funkstation der Post sowie das Atomkraftwerk Stade.
mac/lno
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