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Nach den Arbeitern kommen die Rentner

■ Das einzige Museum, das sich mit der DDR-Alltagsgeschichte beschäftigt hat, das Museum Berliner Arbeiterleben im Prenzlauer Berg, muß jetzt dichtmachen

Am 15. Juni schließt das Museum Berliner Arbeiterleben im Prenzlauer Berg. Damit verschwindet das bislang einzige deutsche Museum, das sich seit 1990 mit der Alltagsgeschichte des „Arbeiter- und Bauernstaates“ DDR befaßt hat. Zwar soll es im Zuge der Einsparungen, wie viele andere Museen, an die Stiftung „Stadtmuseum Berlin – Landesmuseum für Kultur und Geschichte“ angegliedert werden und soll das von fünf auf zwei Mitarbeiter reduzierte Projekt die nächste Ausstellung im Nordflügel des Märkischen Museums planen. Doch kann nach Meinung des Leiters Tobias Böhm das seit Jahren erarbeitete Konzept „zwischen künstlerischen und kunstgewerblichen Sammlungsstücken“ nicht weiterverfolgt werden.

Als das Museum Berliner Arbeiterleben im Jahr 1987 im Kiez in der Husemannstraße 12 von Tobias Böhm eröffnet wurde, kreisten die Ausstellungen noch um das damals unverfängliche Thema „Arbeiterleben um 1900“. Doch der wissenschaftliche Ansatz des Museumsteams trieb es bald zu Projekten, die zu DDR-Zeiten mißtrauisch beäugt worden sind. Statt offene Propaganda zu betreiben, zog es sich auf den Bereich des Privaten zurück und konzentrierte sich in Wechselausstellungen zum Beispiel auf die „Anfänge der Arbeiterfreizeit“: Laubenkolonien, Gesangsverein, Kneipenkultur.

Nach der Wende begann das Museum dann mit der Aufarbeitung des DDR-Alltags. Schon der Ausstellung „Erinnerungen an die Republik der Lobetrotter“ ging es darum, aufzuzeigen, in welcher Form – von Einkaufstüten bis zum Transparent – dem Arbeiter die sozialistische Ideologie verabreicht wurde. Bis zum 15. Juni sind dort noch die „Brigadetagebücher 1960–1990“ zu besichtigen, an deren verkrampfter Ausdrucksweise sich der Zwang zum Schreiben und die staatliche Kontrolle offenbaren.

„Im Märkischen Museum wird unser nächstes Projekt zwangsläufig zu einer Kunstausstellung“, befürchtet Mitarbeiter Jan Schad. Statt wie bisher ganz unspektakulär nur einen Aspekt des Arbeiterlebens mit banalen Alltagsgegenständen aufzubereiten, gelte es nun, eine „Al Fresco“-Ausstellung zu bieten, die das Arbeiterbild „in Elend und Heldentum aufgespalten sehen will“.

Der Museumsleiter begreift sich als Opfer der seit dem Mauerfall angewandten zentralistischen Kulturpolitik. „An die Stelle der oft mühsamen Projektarbeit tritt zunehmend die institutionelle Objektarbeit, das heißt, große und spektakuläre Ausstellungen werden unterstützt, während kleine Museen den Betrieb eher stören.“

Mit dem Einsparungsargument hat der Senat das Projektteam jedenfalls am wenigsten überzeugt. Das Museum in der Husemannstraße muß weniger Miete zahlen als die Kulturbrauerei. Der Raum bleibt weiter angemietet – für ein Seniorenfreizeitheim. Anja Sieber

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