: Entmündigt im Sterben?
■ betr.: „Freispruch im Sterbehilfe prozeß“, „Sterbehilfe in Deutsch land“, taz vom 19. 5. 95
In der Medizin ist vieles machbar geworden. Eine Medizin mit enormen technischen Möglichkeiten benötigt eine neue Ethik und sinnvolle gesetzliche Rahmenbedingungen, sonst schafft sie mehr Leid und Unmenschlichkeit, als sie verhindert.
Laut BGH-Urteil hat bei einer 73 Jahre alten Frau, die nach einer Wiederbelebung unheilbar im Koma blieb (und durch künstliche Ernährung am Leben erhalten wurde) „der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt“. Trotz des Freispruchs im Kemptener Neuverfahren war durch die Anordnung der Beendigung der künstlichen Ernährung durch Sohn und Arzt „objektiv der Tatbestand des versuchten Totschlags erfüllt gewesen“.
Sterben ist ein Thema, das wirklich jeden angeht.
Wirklichkeitsfremde Juristen und interessenlose Politik bestimmen die Rahmenbedingungen hierfür. Auch unter den führenden Medizinern hat Systemverblendung, Karrieresucht und Wissenschaftsfixierung eine längere Tradition als die Fähigkeit, einer Gesellschaft neue Impulse zu geben.
Es geht nicht um eine neue Variation des braunen „Euthanasie“- Gedankens. Hier müssen Kontrollmechanismen einer Willkür vorbeugen. Aber diese Entscheidung war eine gemeinsame von Sohn und Hausarzt (zumal die Patientin immer den Wunsch geäußert hatte, „nicht an Maschinen dahinzusiechen“). Es bleibt nur der Ratschlag für jeden, seinen Willen schriftlich niederzulegen und die Forderung nach einer längst überfälligen gesetzlichen Neuregelung (wie zum Beispiel in den Niederlanden). Dr. Roger Kühn,
Intensivmediziner, Speyer
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