: Armee "säubert" Burundis Hauptstadt
■ Burundis Tutsi-dominierte Streitkräfte rücken in zwei mehrheitlich von Hutu bewohnte Viertel von Bujumbura ein, um Hutu-Milizen zu vertreiben / Zehntausende fliehen in die umliegenden Berge
Bujumbura/Berlin (taz/AFP) – In Burundis Hauptstadt Bujumbura hat die Armee gestern ihren seit Tagen erwarteten Schlag gegen die mehrheitlich von Hutu bewohnten Stadtviertel Kamenge und Kimana begonnen. Mit Artillerie, Panzern und Granaten gingen 2.000 Soldaten der von der Tutsi-Minderheit dominierten Armee nach Angaben des Generalstabs gegen die dort befindlichen „Rebellen“ vor. Augenzeugen berichteten von hohen Rauchwolken über den betroffenen Stadtvierteln, die seit etwa einer Woche von der Armee umstellt sind, da sich in ihnen Hutu-Milizen verschanzt haben. Am Montag abend hatte Premierminister Antoine Nduwayo die 50.000 Bewohner von Kamenge und Kinama aufgefordert, ihre Viertel zu räumen, „damit die Ordnungskräfte den Feind umstellen können“. Generalstabschef Jean Bikomagu sagte gestern, die „Intervention“ solle noch im Laufe des Tages beendet werden; alles hänge vom „Widerstand“ der „Rebellen“ ab.
In Burundi herrscht nominell eine aus Hutu und Tutsi bestehende Regierung, in der sich die bei den Wahlen von 1993 siegreiche Hutu-Partei „Frodebu“ die Macht mit der damals entmachteten einstigen Staatspartei „Uprona“ der historisch dominanten Tutsi-Minderheit teilt. Weder der Hutu-Staatspräsident Sylvestre Ntibantunganya noch der Tutsi- Premierminister Antoine Nduwayo gelten jedoch uneingeschränkt als Anhänger einer Versöhnung zwischen den beiden verfeindeten Gruppen; von beiden vermuten Beobachter, daß sie auch Extremisten in den eigenen Reihen, die auf eine Auslöschung der jeweils anderen Volksgruppe hinarbeiten, zumindest gewähren lassen. Bewaffnete Aktionen der diversen Milizen, die bewaffnete Jugendliche sowohl auf Hutu- wie auch auf Tutsi-Seite gebildet haben, führten in den letzten Monaten dazu, daß sich die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten immer mehr räumlich voneinander abgrenzte, so daß kaum noch irgendwo Hutu und Tutsi gemeinsam leben.
Die Spannungen eskalierten weiter Ende Mai, als Soldaten mehrere Mitglieder einer Tutsi- Miliz verhafteten und als Reaktion radikale Tutsi-Organisationen zum Generalstreik aufriefen. Daraufhin verschärften die Hutu-Milizen in Kamenge und Kimana die Abriegelung „ihrer“ Stadtviertel, was die Tutsi-Seite wiederum dazu bewog, den Zugang zu diesen Vierteln erzwingen zu wollen. Als die Tutsi-Armee Ende letzter Woche um Kamenge und Kimana herum Stellung bezog, sprach Staatschef Ntibantunganya von einem bevorstehenden „Staatsstreich“. Premierminister Nduwayo befahl schließlich der Armee, in die Hutu- Viertel einzumarschieren und die Milizen zu vertreiben.
Mittlerweile sind nach Angaben von Hilfsorganisationen 20.000 Menschen aus Kamenge und Kinama in die umliegenden Berge geflohen, wo offenbar sowohl die Armee wie auch die Hutu-Milizen brutal gegen den jeweiligen Gegner vorgehen. „Das Militär will die Situation anheizen“, sagte ein Flüchtling, der nicht genannt werden wollte. „Die Soldaten wollen nicht, daß die Leute zurück in ihre Viertel gehen. Sie wollen in Kamenge einige Hutu lassen – Alte und Schwache – und den Rest wegjagen. Dann wollen sie Tutsi hereinbringen“. bg/D.J.
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