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Die Frau, die weiß, wie alles läuft

■ Nach dem 2:3 gegen Schweden ist Silvia Neid in ihrer Rolle als Anführerin der deutschen WM-Kickerinnen gefordert

Helsingborg – Sie zieht die Klischees an: Die „extravagante Diva“ wird sie geheißen, „die Blonde mit dem harten Schuß“, aber es heißt auch: „zu egoistisch“, „über den Zenit“. Alle wollen etwas von ihr, aber die meisten haben die Antwort schon vor der Frage abgehakt. „Wenn jemand mal auf die Schnelle was über Frauenfußball wissen will, ruft er bei mir an.“ Bei der WM in Schweden ist das nicht anders. Ob Svenska Dagbladet oder die sozialdemokratische Arbetet – eine Geschichte über Silvia Neid (31) gehört einfach ins Blatt. Und die Kapitänin weiß, wie das Mediengeschäft läuft: „Ich kenne die Fragen schon, bevor sie gestellt werden.“

Sie ist die Vorzeigefigur einer Randsportart, aber warum, weiß sie selbst nicht so genau: „Ich habe mich nicht danach gedrängt.“ Und repräsentativ ist sie für den Frauenfußball eigentlich auch nicht. Auf eigentümliche Weise ist die Rekordnationalspielerin (97 Spiele) ein Monolith in der Frauschaft. Viele der Teenager im deutschen Team haben wegen ihr mit dem Fußball begonnen. Aber, sagt Silvia Neid: „Ich bin kein Denkmal, sondern hier, um Weltmeister zu werden.“

Seit dem ersten Länderspiel 1981 ist sie dabei, seit vielen Jahren trägt sie die Last für andere. Neben ihr können sich die jungen Talente in Ruhe austoben. Heidi Mohr ist die Toremacherin, Bettina Wiegmann vielleicht die bessere Spielmacherin – die Nr. 10 ist Silvia Neid. Die Anführerinnen-Rolle? „Das ist eine Sache, die von außen gekommen ist.“ Aber, sagt Neid: „Ich akzeptiere sie.“

Zwar war dieses Spieljahr mit ihrem Klub TSV Siegen sportlich gesehen ihr schlechtestes, „trotzdem“, sagt sie, „hat mir diese Saison am meisten Spaß gemacht. Ich mußte seit langem wieder an meine Grenzen gehen, und das war ein gutes Gefühl.“ Vor drei Jahren hätte sie fast aufgehört. Bei der ersten WM in China 1991 verletzte sie sich im ersten Spiel, das Team wurde nur Vierter, und danach machten die einfachen Siege in der Bundesliga keinen Spaß mehr. Doch der Ehrgeiz war schließlich stärker: Für einen Abschied habe ich mich einfach noch nicht alt genug gefühlt.“

Die WM hier in Schweden ist so richtig nach ihrem Geschmack. „Wer stoppt Neid?“ titelte das Svenska Dagbladet vor dem Spiel am Mittwoch zwischen Deutschland und Schweden. Diese Frage ist auch nach der knappen 2:3-Niederlage nicht beantwortet. Jetzt fängt für die Anführerin die WM erst an. Jetzt in nicht einfacher Situation muß sie zeigen, daß sie die ist, für die alle Welt sie hält. Eine bezeichnende Szene: Während Silvia Neid neulich die Fragen der Reporter beantwortete, fragte eine junge Asiatin schüchtern nach einem Autogramm – es war ihre Gegenspielerin aus dem Spiel gegen Japan. Matthias Kittmann

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