: Profis auf Landesebene
■ Energieagenturen helfen Kommunen beim Energiesparen / Energie muß teurer werden / Die Glühlampe gegen die Energiesparlampe auszuwechseln reicht nicht
Wie spart man Energie? „Kein Problem“, denken viele. Schon falsch. Energie sparen ist mühsam und erfordert Grips, Zeit und gute Beratung. Doch nicht überall, wo „Energiespar-“ draufsteht, ist auch „Energiespar-“ drin. Während der einzelne es oft bei ein paar ausgetauschten Glühbirnen bewenden läßt, müssen sich Städte und Gemeinden etwas mehr plagen. Die Stadt Aachen beispielsweise kaut gerade an der Umsetzung ihres 245.000 Mark teuren Energiekonzeptes. Denn leider entspricht das von dem Ingenieurbüro Enerko ausgearbeitete Konzept so gar nicht dem vom Land Nordrhein- Westfalen (NRW) verliehenen Titel für Aachen: „ökologische Stadt der Zukunft“. „Wer zum Friseur geht und keinen Sonderwunsch äußert, wird den Schnitt bekommen, den er immer hatte. Wer ein ökologisches Energiekonzept will, muß das auch deutlich sagen“, kommt der Vorwurf von den Aachener Umweltgruppen, die eine einmalige Chance verpaßt sehen.
Siegfried Rettich, Gründer der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg, kennt das Problem: „Unsere Agentur begleitet deshalb Energiekonzepte. Dazu erstellen wir ein Leistungsverzeichnis, machen die Ausschreibung, werten die Aufträge aus und leiten die Sitzungen des städtischen Energiebeirates, in denen das Konzept besprochen wird.“ Kosten: 5.000 bis 7.000 Mark. Mit Unterstützung dieser Energieprofis wäre das Aachener Konzept sicher anders ausgefallen und einer ökologischen Stadt der Zukunft würdig.
Nordrhein-Westfalens Energieagentur berät demgegenüber völlig kostenlos.Das Land übernimmt die vollständige Finanzierung – immerhin fünf Millionen Mark pro Jahr. Angeboten werden Beratungen von Städten und Unternehmen, fertig ausgearbeitete Seminare für Weiterbildungseinrichtungen und, natürlich, Informationen. „Sie glauben nicht, wie groß die Informationsdefizite noch sind“, klagt der Leiter der Agentur, Norbert Hüttenhölscher. Doch Zeit für solch frustrierende Gedanken hat er nicht, bei „mehreren hundert Anfragen pro Jahr“. Besonderen Wert legt Hüttenhölscher auf die gute Zusammenarbeit mit Ingenieurbüros. Die Agentur übernimmt nur die kostenlose Initialberatung, die konkreten Aufträge werden weitergegeben.
Doch ist so ein friedliches Zusammenleben von Ingenieurbüros und mit öffentlichen Mitteln unterstützten Energieagenturen bundesweit eher die Ausnahme und nur dort möglich, wo die Agenturen wie beispielsweise in NRW und Hessen vollständig durch das Land finanziert werden.
Im Saarland ist das nicht der Fall. Frei nach dem Motto „Konkurrenz belebt das Geschäft“ überlebt die Saarländische Energieagentur (SEA) mit handfesten Projektabwicklungen. Michael Brand, Geschäftsführer der SEA, erklärt, wie man auch ohne die öffentliche Finanzspritze existieren kann: „Wir versuchen möglichst schnell in ein Vertragsverhältnis mit der Kommune zu kommen. Das hat übrigens auch einen psychologischen Effekt: die bezahlten Konzepte verschwinden nicht so schnell in der Versenkung.“ Die SEA übernimmt für die Gemeinden die Planung und Realisierung von Energiesparmaßnahmen. Aus den dadurch eingesparten Kosten bezahlt die Gemeinde die Arbeit der Energieagentur. Contracting nennt sich dieses Modell. Die Stadt Dillingen beispielsweise hat bei der SEA die Renovierung eines Hallenbades in Auftrag gegeben. Erfolg: 40prozentige Stromeinsparung, 50 Prozent geringerer Wasser- und 50 Prozent verminderter Gasverbrauch. Die Raten an die SEA sind inzwischen bezahlt, das Hallenbad spart weiterhin Energiekosten – jetzt für die Dillinger Stadtkasse.
Die SEA unterscheidet sich noch in einem weiteren Punkt von der Energieagentur NRW. Letztgenannte hat als alleinigen Gesellschafter das Land. Bei der SEA sitzen noch die Saarländische Investitionskreditbank und die saarländische Energiewirtschaft mit am Tisch. „Kein Problem im Saarland“, meint Brand. „Kein Thema in NRW“, findet Hüttenhölscher. Hier heißt es für das RWE: Ich muß leider draußen bleiben. „Nur so können wir neutral und unabhängig beraten“, teilt der Leiter der Energieagentur NRW seine Erfahrungen mit. Andererseits braucht sich das RWE auch keine grauen Haare darüber wachsen zu lassen. Denn schließlich stimmen die Interessen des Landes zumindest in bezug auf die Braunkohle völlig mit denen des RWE überein: NRWE. Anders sieht es mit der Einstellung des Landes zur Förderung der erneuerbaren Energien aus. Hüttenhölscher: „Ich rate den Städten unbedingt, von der Möglichkeit der kostendeckenden Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energien Gebrauch zu machen. Das ist eine astreine Initiative der Landesregierung.“ Und das erste graue Haar für das RWE. Dabei muß nicht das RWE die Förderung der regenerativen Energien bezahlen, sondern die Stromkunden.
Die Empfehlung für kostendeckende Vergütung wird die Niedersächsische Energieagentur wohl nicht so locker aussprechen können. Hier haben sich die Stromkonzerne PreussenElektra und Veba eine 50prozentige Beteiligung an der GmbH und damit entsprechenden Einfluß gesichert. Für die Veba und die PreussenElektra sind erneuerbare Energien nun mal nichts anderes als Konkurrenz, die besser eine geringere als die gesetzlich vorgeschriebene Einspeisevergütung bekommen sollte. Da bei vielen Landeskassen der Boden sichtbar ist, ist das Modell NRW eher die Ausnahme. Insgesamt sind bei acht der bundesweit elf Energieagenturen Banken und Energieversorger zum Teil in erheblichem Umfang beteiligt.
Energieagentur ist also keinesfalls gleich Energieagentur. Die einen übernehmen nur die kostenlose Initialberatung, während die anderen das komplette Projekt abwickeln und sich damit auch finanzieren. Während manche sich nur mit ihrer Landesregierung abstimmen, spricht aus den anderen mal die Deutsche Ausgleichsbank, mal sind es die Hamburger Gaswerke. Doch so unterschiedlich die Energieagenturen bundesweit auch organisiert sein mögen, in einem Punkt sind sie sich einig: Energiesparen ist dringend notwendig, läßt sich aber nur dann effektiv durchsetzen, wenn die Energiepreise steigen. Unter den jetzigen Bedingungen bleibt es viel zu oft beim Auswechseln einiger Glühbirnen durch Energiesparlampen. Denn Energie kost ja nix. Anne Kreutzmann
Das Bremer Energie-Institut hat einen Bericht über Organisation, Finanzierung und Projekte von Energieagenturen erstellt. Bezug: Fahrenheitstr. 8, 28359 Bremen, 20 Mark.
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