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Amerikanische Nacht in Schwarzweiß

■ "New York, New York" zeigt das historische Bild der Stadt in der Bremer Kunsthalle

Menschen kommen kaum vor in der Ausstellung „New York, New York“, die heute in der Kunsthalle eröffnet wird. Dafür Wolkenkratzer in allen Variationen, bei Tag und Nacht, manchmal in impressionistischer Harmonie überhöht, manchmal in strenger Bauhaus-Manier. Und natürlich die Brook-lyn Bridge, immer wieder die Brooklyn Bridge. Schließlich geht es in diesen „Bildern der Stadt“ (so der Untertitel) um die Architektur, genauer: um den „originär amerikanischen Beitrag zur Architekturgeschichte“, den New York – gleichsam als Paradigma der Moderne – verkörpert. Daß diese Moderne inzwischen längst in den Bereich des Historischen gehört, ist der zentrale Eindruck, den die Bremer Ausstellung unmittelbar sichtbar macht. Schon deswegen, weil die Thematik hier nicht etwa mit dem zeitgemäßen Medium Fotografie, sondern mittels traditioneller „Druckgraphik von 1880 bis 1990“ bearbeitet wird.

Wodurch die Ausstellung laut Anne Röver-Kann, die sie seitens der Kunsthalle betreut, jene geschichtliche Dimension bekommt, durch die sie erst wirklich interessant werden soll.

Das aber ist sie nur begrenzt. Was zum einen sicher daran liegt, daß es sich um eine Sammler-Ausstellung handelt (alle Exponate stammen aus der Sammlung Reba und Dave Williams, New York), mithin also um eine Auswahl nach den persönlichen Vorlieben der Besitzer, zum anderen aber daran, daß man interpretatorisch so interessante Positionen wie etwa die eines Mischa Kuball mit seinen grafischen Übermalungen der New Yorker Stadtgeometrie hier vergeblich sucht. Aber so ist das nun mal, wenn der Ausstellungsetat bei Null liegt, wie Kunsthallenchef Wulf Herzogenrath in diesem Zusammenhang wieder einmal (zu recht) betonte, und man auf die „noble Haltung“ von Sammlern angewiesen ist, die nicht nur die Exponate zur Verfügung stellen, sondern auch noch Transport, Versicherung und Katalog selber finanzieren.

Dennoch, einiges kann sich schon sehen lassen. Etwa das großformatige „Yankee Stadium at Night“ (1983) von Craig McPherson oder Richard Haas' Photoätzung „Manhattan View, Battery Park“ (1979-80), ebenfalls bei Nacht. Überhaupt sind die „Nachtbilder“ der insgesamt wohl überzeugendste Themenkomplex der Schau, was wohl daran liegt, daß „der spezifische Kontrast von Licht und Schatten in New Yorks Architektur bei Nacht besonders klar hervortritt“, wie Austellungsmacherin Anne Röver-Kann betonte.

Vieles aber ist – zumindest für europäische Augen – doch allzu eklektizistisch und wird so zu einer Ansammlung jener Sichtweisen, nach denen die Kultur mehr von den Monumenten als von den Menschen bestimmt wird. Ein Thema, das Carlos Anderson in seinem Bild „Man and His Monuments“ (1937) unter einem – wenn auch sehr gemäßigten – sozialen Aspekt in der Ausstellung selber problematisiert.

Solche Positionen aber sind Ausnahmen. Wie auch die abstrakteren Bilder Ausnahmen sind.

Diese lohnen sogar für nicht eingefleischte New York-Fans; allen voran die Semi-Abstraktionen von John Marin, deren Dynamik fast so etwas wie Lebendigkeit ins Spiel bringt.

Moritz Wecker

„New York, New York – Bilder der Stadt“ in der Kunsthalle, bis 23. Juli. Katalog DM 28,-.

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