: Bremens literarischer Bauchnabel
■ Für nur 65.000 Mark im Jahr berät das Literaturkontor AutorInnen seit über zehn Jahren
Den PEN-Club kennt jeder. Schließlich sind dort alle Mitglied, die in der Literaturwelt etwas auf sich halten. Was aber ist das Bremer Literaturkontor? Die Bremer PEN-Sektion? Nein, nicht die hehren Ziele der internationalen Verständigung hat man sich dort auf die Fahnen geschrieben, sondern eher die der literarischen Basisarbeit.
Anfang der 80er Jahre gründeten Mitglieder des Verbandes Deutscher Schriftsteller den Verein als Serviceeinrichtung für Bremer AutorInnen. Seitdem hilft das Kontor bei der Kontaktaufnahme mit Veranstaltern und Verlagen, macht Öffentlichkeitsarbeit für die literarischen Veranstaltungen in der Stadt, bietet Schreibwerkstätten an und arbeitet in verschiedenen Projekten, wie der Literarischen Woche, der BremerBuchPremiere und dem Bücherfrühling mit. Daneben würde das Literaturkontor aber auch gern Bauchnabel der Szene sein. „Wir wollten mit dem Verein ein Gemeinschaftsgefühl schaffen, weil Schriftsteller doch immer Einzelkämpfer sind“, sagt Jürgen Dierking, Mitarbeiter des Literaturkontors.
Doch gemütliche Kaffeekränzchen mit KollegInnen sind in dem sachlichen Ein-Raum-Büro eher selten, nur wenige der 100 Mitglieder beteiligen sich aktiv am Vereinsleben. Trotzdem kann sich Dierking über Einsamkeit nicht beklagen. Jede Woche klopfen 10 bis 15 angehende SchriftstellerInnen an die Kontorstür der Villa Ichon und suchen Rat. „Meist sind es Gymnasiasten und Studenten, die mit umfangreichen Textkonvoluten vor mir stehen und wissen wollen, welcher Verlag ihren Roman wohl druckt“, erzählt er. Immer wieder packt er dann den Verwaltungskram an die Seite und schaut sich die Werke genauer an.
Manchmal sind richtig gute Texte darunter. Die kann er, wenn sie nicht zu lang sind, an die Redaktionen von „Stint“ und „die horen“ weiterempfehlen, aber Romane sind in Bremer Verlagen kaum unterzubringen. Da bleibt es dann beim Raussuchen von Telefonnummern. „Man muß aber ganz klar sagen, daß 90 Prozent der Texte einfach Mist sind“, sagt Bernd Gosau, einer der vier Vorsitzenden des Vereins. „Da kommen Leute und meinen, nur weil die Freundin das Werk gut findet, sei das schon Literatur.“ Und Dierking ergänzt: „Oder es schreibt jemand Gedichte, ohne zu wissen, daß sich auf dem Gebiet seit der Romantik viel verändert hat.“ Trotzdem bleiben rein rechnerisch zehn Prozent begabte AnfängerInnen und was aus denen wird, wissen sie nicht. „Ich führe ausführliche Gespräche, mache Vorschläge für Änderungen am Text, empfehle Verlage, und die gehen hier raus und melden sich nie wieder“, erzählt Dierking etwas resigniert.
Die Beratung des Nachwuchses ist jedoch nicht seine Hauptaufgabe. Wie an vielen anderen Orten soll auch in Bremen alles vernetzt werden, damit jede literarische Aktivität zur Kenntnis genommen wird. Es ist jedoch die Frage, ob dabei nicht nur die Vernetzung der zehn hauptamtlich Literaturinteressierten herauskommt, die fünf verschiedene Gesellschaften zur Ehrenrettung längst verstorbener Schriftsteller gründen. Aber vielleicht sind da ja noch Schätze zu heben, denn „es gibt zwar ganz ordentliche Schriftsteller in Bremen, aber in der Bundesliga spielt hier keiner“, bringt Bernd Gosau es auf den Punkt.
Damit die wenigen literarischen Leckerbissen aber nicht immer wieder übersehen werden, gibt das Kontor zusammen mit Radio Bremen ein buntes Faltblatt heraus, in dem die relevanten Termine veröffentlicht werden. Dieses Zusammentragen kostet Dierking ein Viertel seiner Arbeitszeit und den Verein 10.000 Mark im Jahr - soviel wie ihr Etat aus den Gründungszeiten. Mittlerweile bekommt das Literaturkontor von Senatorin Trüpel jedoch 50.000 Mark plus anderthalb ABM-Stellen, womit sie ganz zufrieden sind. Dazu kommen noch Gelder von Radio Bremen und der Sparkasse für festgelegte Sonderprogrammme, sowie die Mitgliedsbeiträge, summa summarum 65.000 Mark im Jahr. „Die Öffentlichkeitsarbeit verschlingt knapp ein Drittel des Betrages, für Lesungen, Projekte und Schreibgruppen geben wir 28.000 Mark aus und die restlichen 16.000 Mark gehen für Geschäftskosten drauf“, rechnet Gosau vor.
Auch wenn Vergleiche schwierig sind, müssen sich die KontoristInnen fragen lassen, warum zum Beispiel das Junge Theater mit dem gleichen Etat soviel mehr auf die Beine, bzw. die Bühne stellt. Und warum kicken Bremer AutorInnen nicht in der Bundesliga? Liegt das am Klima oder ist das finanzielle Ruhekissen zu weich für künstlerische Höhenflüge?
Gudrun Kaatz
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