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Nachschlag

■ Traumspiele: „KKaffee Leben und Tod“ – Theater RambaZamba im Deutschen Theater

Wenn man 30 Jahre alt wird, mag man keine Puppenstuben mehr. Und man möchte auch nicht immer nur Kakao trinken. „Kaffee! Whisky! Wodka!“ verlangen Maries Gäste trotzig, und das Geburtstagskind stößt mit einer heftigen Bewegung alle Kakaobecher um. Die Betreuerin ist empört: Was in aller Welt ist nur in ihre Schützlinge gefahren?

In „KKaffee Leben und Tod“ reist eine Gruppe geistig Behinderter in ein traumblau glänzendes Phantasie-Café. Dort können sie tanzen, Trompete spielen, um Geld wetten und alles bestellen, was sie nur wollen. Die imaginäre Eskapade ist ein gespielter Wunschzettel. Anders als frühere Produktionen von RambaZamba, der Theatergruppe des Sonnenuhr-Vereins, ist dieses Stück ausschließlich aus Ideen und Improvisationen der geistig behinderten SpielerInnen hervorgegangen (Regie: Gisela Höhne). Der Eklat bei der Geburtstagsfeier bringt auf den Punkt, was behinderte Menschen in ihrem Alltag vermissen: nicht mehr als die Freiheit, ins Café gehen zu können – und nicht weniger, als wie Erwachsene behandelt zu werden.

Das körperbetonte Spiel läßt den DarstellerInnen viel Freiheit. Nur die Umrisse der Handlung sind festgelegt, die Rollen können vertauscht und die 13 Szenen nach Belieben umgestellt werden. Bei der Matinee im Deutschen Theater am Sonntag – der „zweiten Premiere“ des Stücks nach der Uraufführung im April – fielen am Ende zwei Szenen weg, weil die vorhergehenden allzu lustvoll ausführlich ausgespielt wurden. Da läßt sich ein Geizknochen seinen Riesen-Broiler durch keinen noch so ausgefeilten Trick abluchsen. Satte Schlaraffen schmeißen tellerweise Spaghetti ins Publikum, und zwei eifersüchtige Frauen prügeln sich um einen Gigolo, der die Schlägerei mit beifälligem Grinsen verfolgt. Auch in diesem Traumreich gibt es viel Ärger und Streit. Selbst bierfrohe Stammtischler wälzen sich ins Café. „Ausländer raus!“ schreien sie. „Kellner raus!“ Und: „Zuschauer raus!“ Dann ist Pause.

Aber auch im zweiten Teil kehren die Behinderten nicht aus dem Reich der Phantasie zurück. Ratlos umkreist die Betreuerin die abgeworfenen schwarzen Kleider und Maries Geburtstagsgeschenk: das filigrane blaue Puppen-Café, das gleichzeitig Modell ist für den Bühnenraum. Dort ist jedes Detail in größerem Maßstab nachgebildet, sogar die anmutige Puppe in der Mitte hat ihr Pendant in der Kellnerin. Bei ihrer vergeblichen Suche gerät die Betreuerin in einen desolaten Zustand: Ihr Nonnenkleid wird fleckig, die strenge Haube geht verloren. Schließlich folgt sie den Entwichenen ins Traum-Café. Beim orgiastischen Finale feiert sie munter mit. Während ihre Schützlinge singen und tanzen, schlägt sie den Takt – auf dem Kakaotablett. Miriam Hoffmeyer

„KKaffee Leben und Tod“ wird nach den Theaterferien wiederaufgenommen, in der eigenen Spielstätte von RambaZamba, im Theater im Pferdestall, KulturBrauerei, Knaack-/Ecke Dimitroffstraße, Prenzlauer Berg.

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