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Kein Freizeichen für das „Atlas“-Projekt

■ Das deutsch-französische Telekommunikationsgeschäft droht zu scheitern / EU-Wettbewerbskommissar van Miert verlangt „substantielle Änderungen“

Brüssel (taz) – Zwischen Bundespostminister Wölfgang Bötsch und EU-Kommissar Karel van Miert herrscht dicke Luft. Der Wettbewerbskommissar will das geplante Gemeinschaftsprojekt „Atlas“ der deutschen und der französischen Telekomgesellschaften nicht genehmigen. Beim Ministertreffen in Luxemburg sagte van Miert, er könne die von der Bundesregierung zugesagten „substantiellen Änderungen“ bisher nicht sehen.

Die beiden Telefongesellschaften wollen unter dem Dach von Atlas Telekommunikationsdienste aller Art anbieten, beispielsweise Datennetze wie Datex-P, mit denen Computer übers Telefon vernetzt werden können. Solche Dienstleistungen fallen schon heute nicht mehr unter den Monopolschutz des Staates. Weil jedoch die beiden nationalen Telekomgesellschaften noch bis 1998 das Monopol auf die Telefonleitungen haben, könnten sie Atlas begünstigen und mit Monopolgewinnen päppeln. Wenn dann 1998 auch andere Netzbetreiber zugelassen werden, hätten sie das Nachsehen. Die Kommission möchte dagegen einen starken Konkurrenzdruck erzeugen, die nationalen Regierungen wiedrum sind bemüht, ihren Telekomgesellschaften eine möglichst gute Startposition zu sichern. Zahlreiche Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, die unter Marktbedingungen wohl kaum zu halten wären. Die Postminister wollen die Zeit des Telefonmonopols nutzen, die marktbeherrschende Stellung der Telefongiganten bei den Netzen auch auch auf die Dienstleistungen auszudehnen.

Karel Van Miert scheint es nun darauf anzulegen, entweder das Atlas-Projekt bis zur Aufhebung der Netzmonopole zu verschieben, oder die Monopole früher zu knacken. In Luxemburg hat er seine Forderung an die Bundesregierung wiederholt, schon vor 1998 andere Netzbetreiber zuzulassen. Dann könne er Atlas genehmigen.

Der Bundespostminister, der sich darauf nicht einlassen will, sucht einen Ausweg in der Aufwertung der Atlas-Geschäfte auf Weltniveau. Seit langem wird über eine deutsch-französische Beteiligung an der drittgrößten US-Telefongesellschaft „Sprint“ geredet. Wenn Atlas über Sprint auch auf dem US-Markt seine Dienstleistungen anbietet, dann muß die Kommission das Unternehmen unter einem anderen Blickwinkel bewerten. Dann zählt für die Beurteilung der verbotenen Marktbeherrschung nicht mehr nur der deutsche und der französische Markt, sondern der Weltmarkt. Und da hätte Atlas alles andere als eine dominierende Stellung.

Doch Karel van Miert hält die internationale Dimension für vorgeschoben. Nach seinen Unterlagen ziele das deutch-französische Gemeinschaftsprojekt auf eine Knebelung der Heimatmärkte, ob mit oder ohne Sprint-Beteiligung. Die Bundesregierung habe bis jetzt noch keine Informationen geliefert, wie die Vereinbarung mit Sprint aussehe und ob es sie überhaupt gebe.

Entgegen allen Ankündigungen hat Sprint offensichtlich doch noch nicht unterschrieben. Aber selbst dann käme es auf den Wortlaut der Vereinbarung an. Wenn die Verbindung mit Sprint lediglich die Atlas-Geschäfte in Europa verstärkt, ohne auf dem schwierigen US-Markt wirklich mitzumischen, dann will Karel van Miert weiterhin den Kopf schütteln.

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