: Ruanda – vom Bürgerkrieg zum versuchten Neubeginn
Seit Juli 1994 herrscht in Ruanda die „Ruandische Patriotische Front“ (RPF). Die RPF, ursprünglich entstanden unter den ruandischen Tutsi-Flüchtlingen in Uganda, war im Oktober 1990 erstmals militärisch aktiv geworden. Im Zuge des seitherigen Bürgerkrieges ging Ruandas damaliger Präsident Juvénal Habyarimana zunehmend gegen die sowohl aus Hutu wie auch aus Tutsi bestehende demokratische Opposition vor. Im August 1993 unterschrieb die Regierung im tansanischen Arusha einen Friedensvertrag mit der RPF, der die Bildung einer gemeinsamen Regierung und die Verschmelzung der beiden Armeen vorsah. Eine erste gemischte Regierung unter Premierministerin Agathe Uwilingiyiama von der oppositionellen Hutu-Partei MDR war kurz zuvor gebildet worden.
Der Vertrag stieß auf großen Widerstand. Habyarimana selbst verhinderte die Amtsübernahme des nach dem Vertragsabschluß aufgestellten Allparteienkabinetts unter dem MDR-Politiker Faustin Twagiramungu. Zugleich propagierten radikale Hutu offen die Auslöschung ihrer politischen Gegner, was sie schließlich sofort nach dem noch ungeklärten Tod von Habyarimana bei einem Flugzeugabsturz am 6. April 1994 in die Tat umsetzten. Während Hutu-Milizen Hunderttausende Tutsi und demokratische Hutu töteten, griff die RPF wieder zu den Waffen und eroberte die Hauptstadt Kigali Anfang Juli. Das alte Regime floh nach Zaire; die RPF bildete eine Regierung, die sie als Verwirklichung des Arusha- Vertrags präsentierte: Twagiramungu wurde Premierminister, das Kabinett wurde gemäß dem Arusha-Schlüssel aufgeteilt – wobei jedoch die RPF die einst für die Habyarimana-Partei MRNDD vorgesehenen Posten übernahm.
Da nach den monatelangen Massakern der Staat zusammengebrochen war und allein die RPF- Kämpfer noch Autorität ausübten, hatte die RPF im neuen Ruanda von Anfang an ein viel größeres Gewicht als die politischen Parteien, die sich als solche nicht richtig neu organisieren konnten. Bald begannen prominente Hutu-Politiker die Regierung zu verlassen. Zuerst ging im Oktober Außenminister Jean-Marie Ndagijimana, zuletzt vergangene Woche der Kabinettschef des Premierministers, Jean- Damascene Ntakirutimana. Beide gehören der MDR an, deren Führer und Premierminister Twagiramungu zunehmend isoliert dasteht. Der RPF werden von ihren Gegnern Masseninhaftierungen und Racheakte vorgeworfen; die RPF wiederum kritisiert die mangelnde internationale Hilfe bei der juristischen Aufarbeitung des Völkermords. Das Bild zeigt die Angeklagten des bisher einzigen Völkermordprozesses in Kigali im April 1995.D.J. Foto: AP
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