Dokumentation: Eitle Palastrevolution
■ Offener Brief an die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Bremen
Eure Entscheidung, Ralf Fücks nicht zum Fraktionssprecher zu wählen, ja ihn nicht einmal in den Fraktionsvorstand zu delegieren, habe ich einfach nicht verstanden. In der jetzigen Situation kommt dies einer politischen Selbstenthauptung gleich, oder – wenn man das Frauenargument ernst nimmt – einer Selbstentmannung. (...)
Bremen ist sehr klein. Das hat Auswirkungen auf die Anzahl von Personen, die für politische Ämter infrage kommen. Das betrifft natürlich auch die „großen“ Parteien CDU und SPD, aber es betrifft vor allem Euch. Und da wundert es mich doch sehr, daß Ihr einen der ganz wenigen politischen Köpfe, die Ihr überhaupt habt, nicht zum Fraktionssprecher macht; als ob Ihr aus dem Vollen schöpfen könntet. Und dies aus Gründen, die ich erahnen kann, die aber samt und sonders auf persönliches Geltungsbedürfnis und innerparteiliches Machtgehabe zurückgehen.
Nun ist aber die Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ eine Partei, von der ihre Wähler erwarten, daß gerade solche Mechanismen nicht die politischen Entscheidungen beeinflussen. Diese Erwartung – und das zeigen Eure Fraktionsvorstandswahlen –wird nicht immer erfüllt, sie ist aber doch eine wichtige Erwartung. Wenn man sie nicht erfüllt, setzt man öffentlich mehr aufs Spiel, als man innerparteilich gewinnt.
Und vor allem habt Ihr eins übersehen: Der Wahlerfolg der Grünen bei den letzten Bürgerschaftswahlen war – bedenkt man den Anlaß für das Auseinanderbrechen der Ampelkoalition – auch und vor allem eine Loyalitätserklärung für Ralf Fücks, ein Vertrauensvotum und ein klarer Auftrag an die Grünen, mit Ralf Fücks entweder in die Regierung oder in eine gut geführte Opposition zu gehen. Habt Ihr das nicht verstanden, oder ist es Euch egal? Ist jetzt, wo Ihr in der Opposition gelandet seid, endlich die Stunde der Abrechnung mit dem Übervater gekommen? Dabei brauchen wir gerade unter den Bedingungen einer großen Koalition die bestgeführte Oppostition, die klarsten politischen Profile und die fähigsten und erfahrensten Frauen und Männer. Und genau darin habt Ihr versagt.
Bremen ist – wie gesagt – sehr klein. (...) Alles, was man in einer politischen Funktion tut, ist gleich öffentlich. Kleine Städte haben ein gutes Gedächtnis, man lebt hier wie in einer Familie. So gut könnt Ihr nun gar nicht mehr werden, als daß man Euch Eure kleine egoistische Palastrevolution einfach vergessen könnte. Bremen ist zu klein für diese Art von Verschleiß, und die Grünen sind es erst recht.
Prof. Dr. Thomas Krämer-Badoni, ehem. Landesvorstandssprecher der Grünen in Bremen
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