: Unorte: Grills Von Claudia Kohlhase
Ein Grill ist eben ein Grill, meine Güte, was soll Frau Henke sonst noch sagen, was ein Grill sein soll oder wozu man einen Grill nötig hat. Warum weiß ich so was auch nicht gefälligst selbst. Normalerweise wissen Menschen, die ein Haushaltswarengeschäft betreten, was ein Grill ist. Ein Grill hat – also wenn sie jetzt schon mal dabei ist, obwohl sie die Notwendigkeit eigentlich nicht einsieht, einen Grill zu erklären, das wäre ja so, als wüßte ich nicht, was ein Würstchen ist – ein Grill ist, ja was ist eigentlich ein Grill?
Ein Grill setzt im Grunde Voraussetzungen voraus, und eine Voraussetzung ist, daß er drei Beine hat, jedenfalls der einfachste zu siebzehn Mark. Dieser ganz einfache Grill hat auch den grilltypischen Rost, worauf man das Grillgut legt, und einen Windschutz, der gegen Wind schützt. Dann hat der Grill auch eine Grillschale, wohinein die Holzkohle oder die Grillkohle kommt, welche größer ist, also die Grillkohle. Zum Anzünden gibt es Sprays, Blöcke und Flüssigkeiten.
Dann gibt es natürlich noch Besteck, Wender und Zangen, Fischgitter und Hühnermotoren, Aluschalen und Aluschälchen, Zierspieße und Blasebälge, Pappbecher und Pappteller. Frau Henke ist auf einmal in ihrem Element, einer Art Benutzer-Element, das man der Besitzerin eines Haushaltswarengeschäfts auch unterstellen darf. Sogar ich unterminiere nicht mehr die Tauglichkeit des Geräts und wackle liebevoll am Rost – woraufhin der arme Grill rasch zusammenklappt, aber es ist ja bloß der arme einfache.
Man kann der Situation zunächst attestieren, daß Frau Henke und ich mustergültig der Macht des Objekts unterliegen, und zwar aus Jux und Dollerei, jedenfalls, was mein Grillinteresse betrifft. Und zweitens muß es für einen Menschen der modernen Industriegesellschaft möglich sein herauszufinden, was ein Grill ist, schon aus ethnologischen Gründen. Es kann sich dabei nicht ums Essen, sondern nur um urhordliche Belange drehen. Schließlich muß immer einer aufstehen und nach dem Feuer sehen, ein Witz, wenn man sich die sieben reizenden Holzköhlchen ankuckt, die glühen und knispeln und Feuer! schreien wie andere um Hilfe.
Der, der aufsteht, ist ja immer ein Mann, was womöglich Frau Henkes und mein Unwohlsein dem Grill gegenüber vom Ansatz her erklärt. Wir wissen vermutlich intuitiv, daß wir uns an etwas vergreifen, an dem wir uns symbolisch und nachweislich die Finger verbrennen. Andererseits ist die Frauenbewegung vielleicht wirklich so weit gekommen, daß unsereins jetzt nicht nur mit dem Feuer spielen, sondern endlich damit hantieren darf, und zwar mit Grillbesteck und Konsorten. Das wird auch von der Tatsache erhärtet, daß Frau Henkes Mann sich dezent im Hintergrund hält und nur ab und zu Grillwörter herüberwirft oder richtungweisende Bemerkungen zum Thema Fleisch.
Leider sind Frau Henke und ich nicht mehr aufzuhalten, was unsere eigene evolutionäre Aushöhlung anbelangt. Denn kaum sind wir in den Besitz der Magie und also der Beherrschung eines archaischen Werkzeugs gelangt, verwerfen wir nicht nur seine Heiligkeit, sondern auch sorglos die Zangen zu den Wendern. Das sieht Herr Henke nicht so gern und macht sich eilig auf, uns zu helfen.
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