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„Hier werde ich gebraucht“

■ Wiederaufbau konkret: Der Weg des Pathologen Carlos Mariano Manuel aus Angola nach Berlin und wieder zurück

Luanda (taz) – Wenn Carlos Mariano Manuel an seinem Schreibtisch sitzt, blickt Rudolf Virchow von einem Foto gestreng auf ihn herunter. Der Berliner Ahnherr der modernen Pathologie, so sagt der angolanische Arzt, ist sein großes Vorbild. Auch Carlos Mariano Manuel ist Pathologe – einer von dreien in ganz Angola.

In seinem nüchtern und modern eingerichteten Arbeitszimmer in der medizinischen Fakultät in Angolas Hauptstadt Luanda hängt ein weiteres Foto aus Berlin: eine historische Aufnahme der Charité. Sechs Jahre lang hat der angolanische Arzt in Berlin gelebt und dort an der Charité seine Facharztausbildung gemacht. Im Mai vergangenen Jahres ging der 38jährige zurück nach Angola, freiwillig – in ein Land, das nach 20 Jahren Bürgerkrieg fast vollkommen zerstört ist. „Die Situation in angolanischen Krankenhäusern ist katastrophal, aber hier habe ich das Gefühl, gebraucht zu werden“, begründet er in nahezu akzentfreiem Deutsch seine Entscheidung.

1988 wurde Manuel nach Berlin geschickt, um zu promovieren – in die „Hauptstadt der DDR“, zu der die angolanische Regierung enge Beziehungen unterhielt. Vorher hatte Manuel in Luanda Medizin studiert und dann drei Jahre in einer Dependance der Universität in Huambo gearbeitet. Nach Ost- Berlin, erinnert er sich, kam er an einem kalten Märztag und konnte kein Wort Deutsch. Wenige Monate und einen Intensivkurs später fing er am Institut für Pathologie an zu arbeiten – eine, wie er sagt, sehr gute Zeit. „Ich habe eine sehr gute Ausbildung bekommen und viele Menschen kennengelernt, die mir geholfen haben.“ Und den Mauerfall miterlebt.

Bleiben habe er nie wollen, trotz aller positiven Erfahrungen in Deutschland sei immer klar gewesen, daß er eines Tages zurückgehen werde. Irgendwann gibt er leise zu, daß auch der zunehmende Rassismus in Deutschland die Entscheidung mit beeinflußt haben könnte. Es ist ihm sichtlich unangenehm, darüber zu sprechen, undankbar zu erscheinen gegenüber den deutschen Besuchern – aber einmal sei er fast von Skinheads verprügelt worden.

Jetzt ist Manuel Dekan der Medizinischen Fakultät an der Universität Luanda und verdient umgerechnet 30 Mark im Monat – viel zuwenig, um in der teuren angolanischen Hauptstadt überleben oder gar eine Familie ernähren zu können. Wie fast jeder im öffentlichen Dienst des Landes, muß Manuel nebenher Geld verdienen. Da das Gesundheitswesen in Angola jetzt privatisiert ist, kann er als gutausgebildeter Facharzt nebenher Biopsien erstellen – pathologische Befunde, für die er jeweils ein ganzes Monatsgehalt bekommt.

Manuels Eltern, die im Norden des Landes lebten, hatten sich zwei Jahre lang vor dem Bürgerkrieg im Busch versteckt. Jetzt hat er sie in die Hauptstadt bringen lassen, vollkommen abgemagert und erschöpft. Der Arzt ist optimistisch, was die Zukunft seines Landes betrifft: „Schlimmer als jetzt kann es nicht mehr werden, sonst haben wir hier so etwas wie eine Apokalypse“, glaubt er – und gibt gleichzeitig zu, daß er Angst hätte, sich in einem normalen angolanischen Krankenhaus behandeln zu lassen, wenn er krank würde.

Selbst die Universitätsklinik ist bei weitem nicht vergleichbar mit dem europäischen Standard von Kliniken: Es fehlt an Geld und Medikamenten. „Das entspricht ungefähr der Wirtschaftslage im Land“, sagt er. „Dieses Land hat alle Möglichkeiten, seinen Menschen ein gutes Leben zu geben. Es ist nur eine Frage der Verteilung der Ressourcen.“ Und pocht darauf, daß es auch eine Frage der außerordentlich spärlich vorhandenen Organisationsfähigkeit sei. Deswegen erarbeitet er zusammen mit Kollegen jetzt ein langfristiges Konzept für die Klinik, um die wenigen Ressourcen sinnvoll einzusetzen.

Fast alles, was im desolaten angolanischen Gesundheitswesen gebraucht wird, muß importiert werden, weil die ansässige Industrie völlig zerstört ist. Mit Medikamenten blüht ein schwunghafter Schwarzhandel. Die einfachsten Infekte, die häufig mit Unterernährung einhergehen, können nicht behandelt werden, weil die Menschen sich keine Medizin leisten können. Die Kindersterblichkeit ist nach einer Unicef-Untersuchung die höchste der Welt, Zehntausende sind vom Krieg verkrüppelt, von Minen verstümmelt.

„Aber noch schlimmer ist, was der Krieg mit den Seelen der Menschen angerichtet hat“, meint Carlos Manuel. Sie könnten nicht mehr lieben, verstünden nur noch Aggression. Dennoch ist sein geradezu missionarischer Glauben an eine Wendung zum Besseren nicht zu erschüttern. „Ich glaube, daß es langfristig auch möglich ist, die Seelen der Menschen zu heilen.“ Nicht nur durch Ärzte, wie er meint, sondern auch durch die Gesellschaft, durch eine Politik der Versöhnung. Kordula Doerfler

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