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Frauen, fürchtet euch nicht!

■ Interview mit Hanna-Renate Laurien, die CDU-Männern Amtsanmaßung vorwirft / Parteistrukturen vergleichbar mit der Frauenfeindlichkeit der katholischen Kirche

taz: Frau Laurien, Ihre Partei benachteiligt bei den Abgeordnetenhauswahlen die Frauen. Die kommende CDU-Fraktion wird wohl nur sechs weibliche Mitglieder haben. Geht es bei den Christdemokraten inzwischen zu wie sonst nur in der katholischen Kirche?

Hanna-Renate Laurien, Präsidentin des Abgeordnetenhauses: Die Situation heute ist keineswegs neu. Sie steht in Analogie zum vierten Jahrhundert. Was man damals wagte, sicherte die Kirche. Und heute? Hören wir das Ja für neue Gruppen?

Was bedeutet das für die CDU?

Aus der Schöpfungsgeschichte läßt sich eine Ungleichwertigkeit von Mann und Frau jedenfalls nicht herleiten. Ich höre Theresia von Avila beten: „Ich werfe unserer Zeit vor, daß sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt.“

Für CDU-Männer wie den parlamentarischen Geschäftsführer Hapel oder den Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses, Führer, sind Frauen zu unengagiert. Diskriminierung oder Fakt?

Es überrascht, wie genau Männer offenbar wissen, was Frausein ausmacht.

Dürfen die beiden keine Frauen kritisieren?

Heute reagieren wir recht empfindlich auf Rollenfixierungen, in denen Unterschiedlichkeit zu verschiedener Wertigkeit führt, auf „Wesensdefinitionen“, die nichts anderes als geschlechtsspezifische Eingrenzungen sind. Wie man sieht, wird hier doch ziemlich unverblümt eine biologische Rollenzuweisung, die sich als Amtsanmaßung oder Amtsverweigerung erweist, vollzogen.

Die Landesvorsitzende der Frauenunion, Wilmar Glücklich, verteilte beim letzten Parteitag aus Protest Flugblätter. Der Landesvorsitzende Diepgen hat sie persönlich dafür zur Brust genommen. Ist illoyal, wer die Frauenfrage anspricht?

Kritische Loyalität heißt die Devise. Unaufgearbeitete Konflikte führen politisch zu Revolutionen, gar zu Kriegen, führen menschlich zu Aggressionen oder Hoffnungslosigkeit...

...in der CDU offenbar zu Hoffnungslosigkeit. Frau Glücklich wurde von anderen Frauen nicht unterstützt. Auch von Ihnen nicht. Haben Sie den Kampf gegen die Männermacht aufgegeben, bevor Sie ihn begonnen haben?

Nein, nein – eher will ich mich in die Arme der göttlichen Barmherzigkeit werfen und ohne Empfang der heiligen Sakramente sterben.

Auch Frau Glücklich soll weiterkämpfen?

Der Auferstandene grüßte die Frauen: „Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündet meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen, dort werden sie mich sehen.“

Und das Galiläa unserer Tage?

Im Galiläa unserer Tage wollen auch wir Frauen zu leben versuchen – ohne durch Vorurteile ausgegrenzt oder gar abgeschrieben zu sein. Interview: Dirk Wildt

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