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Sommerliebe per Anzeige.

■ Premiere: „Traumfrau verzweifelt gesucht“, das Sommerstück im Packhaustheater

„Spießerin sucht Langweiler - für immer und ewig.“ Für eine Kontaktanzeige ein Lichtblick. Wahrscheinlich muß die witzige Inserentin ihre humorvolle Mikro-Satire zwar mit mangelndem „Rücklauf“ wg. fehlender Selbstbeschreibung bezahlen, aber wer jemals am Samstagmorgen bei einer zweiten Tasse Kaffee die meistgelesenen Spalten der Stadtmagazine studierte, hat hier mindenstes einmal geschmunzelt. Denn drumherum findet sich das Übliche, das Öde. Da gleicht die Selbstanpreisung der paarungswilligen Kandidaten einer Personalityshow im Fitness-Studio.

Und nun das ist Haralds Welt und sonst gar nichts. Früher hätte er sich so etwas zwar nicht träumen lassen, aber seit ihn seine Frau Julia aus heiterem Himmel verlassen hat – der Abschiedsbrief kam per Fax ins Büro – ist Harald wieder mit dabei, auf der Pirsch und der Balz. Wenn er nur so weit käme.

In „Traumfrau verzweifelt gesucht“, von Tony Dunham geschrieben und von Jan Bergrath übersetzt, werden die Theaterzuschauer gnadenlos mit der Welt der Kontaktanzeigen konfrontiert, mit der sie oft nur kokettieren. Auch im Packhaustheater ging es bei der Premiere zur Sache. Das Zwerchfell der Zuschauer wurde einem Dauerbelastungstest ausgesetzt und auch Harald, typgerecht besetzt mit dem packhausbewährten „Butterbrot“-Darsteller Stefan Schneider, lief zur Höchstform auf.

Ab jetzt wird jede Anzeige beantwortet. In einer guten Woche schafft der Kandidat 47 Stück. Und immer auf der Suche nach der Traumfrau. Harald (ansprechendes Äußeres, 34 Jahre alt, guter Job und sportlich - „Ich wollte demnächst mal wieder zum Schwimmen“). Seine Männerphantasien übersetzten das in die Vision von der weiblichen Maximallösung: „Schön und intelligent soll sie sein und nicht zu jung“ (für Harald bedeutet das: „nicht unter 18“)

Beim ersten Treffen stellt sich dann heraus, daß die entsprechenden Adressatinnen, seiner routiniert vorgebrachten Liebesschwüre dann doch nicht so leicht zu handhaben sind. Mit Trisha, einer hantelschwingenden und hoffnungslos neurotischen Amerikanerin, hatte er sich ganz offensichtlich übernommen. Kontaktperson Gaby hingegen spricht Klartext hinsichtlich ihrer „übliche Interessen“. „Have fun“ lautet ihr Credo, hinter dem sich zum Haralds Schrecken ein Sex-Junkie verbirgt. Und Anja, Studentin der Literaturwissenschaften, die Harald erst noch mit Hilfe des Nachschlagewerkes „Literatur für Hochstapler“ beeindrucken wollte, erweist sich als hemmungslose Klette auf der verzweifelten Suche nach dem Mann zum Heiraten.

In „Traumfrau verzweifelt gesucht“ wagt Tony Dunham einen Blick in die triebgesteuerte Welt der Heartbreakersbälle, bei dem er seine Figuren leicht überhöht und liebevoll überzeichnet, ohne sievoyeuristisch in ihren schwachen Momenten zu verraten. Mit der deutschen Fassung gelingt es Jan Bergrath, die Leichtigkeit der englischen Komödie ins Deutsche zu retten. Dazu gehört auch, daß das Zeitlimit eingehalten wird und nach genau 90 Minuten sich mit eienm kleinen Happy End der Vorhang schließt.

Schließlich befinden wir uns in einem gebrauchwertorientierten Theater. Und das darf einen Fehler keinesfalls machen: die übliche Spielfilmlänge überschreiten und die Zuschauer langweilen. Michael Derda und Andrea Krauledat, die für die Inszenierung verantwortlich zeichnen, kennen die Bedürfnisse ihres Publikums haargenau und haben auch keine künstlerischen Skrupel, sie zu erfüllen. Bei dieser Premiere stimmten nicht nur das rasante Tempo des Stücks, auch die Besetzung ist zielgenau. Stefan Schneider spielt seinen Harald mit charmanter Leichtigkeit und scheut sich bei besonders bewegenden Stellen sogar nicht, dem Publikum tief ins Auge zu blicken. Heidi Jürgens schlüpft chamälenogleich in die vier Traumfraurollen und kann jeder noch eine unterschiedliche Tönung abgewinnen.

Im Packhaus droht kein Boulevardtheater, in dem die Kulissenwände scheppern und sich hinter jeder Schranktüre ein ertappter Liebhaber versteckt. Über die Bühne geht ein professionell gemachtes Unterhaltungstheatermit Vergnügungsgarantie. Mit „Traumfrau verzweifelt gesucht“ bietet das „einzige Sommertheater Bremens“ eine hochgradig amüsante Möglichkeit, für genau 90 Minuten dem typisch Bremer Sommer zu entfliehen. Susanne Raubold

täglich 20.30 Uhr (außer montags), bis 31.8., Packhaus-Theater

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