: Der Kampf um das tägliche Chop Suey
■ Ausländische Restaurants im Kampf gegen deutsche Bürokratie: Mehr als zwei Köche aus außereuropäischen Ländern gibt es nur mit Ausnahmeregelung / Behörden fürchten "Mißbrauch der Zuzugsregel"...
Heinz Seidel, Referatsleiter bei der Bundesanstalt für Arbeit, macht keinen Hehl aus seiner Meinung von ausländischen Restaurants: „Schauen sie sich doch nur die Berichte der Kriminalämter an, dann wissen Sie, daß ein chinesisches Restaurant nicht nur ein Restaurant ist. In manchen Bezirken werden 50 Prozent der Gaststätten von Ausländern betrieben, damit gehen deutsche Arbeitsplätze kaputt“, sagt er. Seidel ist verantwortlich für die sogenannte „Zwei- Köche-Weisung“, die im letzten Herbst von der Bundesanstalt für Arbeit erlassen wurde: Demnach dürfen nicht mehr als zwei Köche aus außereuropäischen Ländern, für die keine besonderen Regelungen gelten, in einem Restaurant arbeiten. Das aber bringt die Restaurants in arge Bedrängnis – ihnen fehlen schlicht die Köche.
Begründet wurde die umstrittene „Zwei-Köche-Weisung“ damit, daß in der Vergangenheit oft Mißbrauch mit der Zuzugsregelung betrieben worden sei. Manche Restaurantbesitzer hätten eine Vielzahl von Landsleuten als angebliche Köche ins Land geholt, um auf die Weise eine Aufenthaltsgenehmigung für sie zu erhalten. „Und das, obwohl wir schon so viele arbeitslose Ausländer haben“, ärgert sich Seidel.
Wenn Personal fehlt, wird Kochen zum Knochenjob
Petra Gleim, Geschäftsführerin des siamesischen Restaurants „Maothai“, sieht das anders. „Natürlich braucht ein kleiner Imbiß nicht zehn Köche. Aber es wäre auch kein Problem für die Arbeitsämter, die Kapazitäten der Restaurants zu überprüfen, um einem Mißbrauch vorzubeugen.“ Sie spricht aus Erfahrung. Für ihr Restaurant wurden 1993 fünf Köche beim Arbeitsamt beantragt. Nach einigen Monaten fuhren zwei davon wieder nach Hause. Inzwischen mauserte sich das Restaurant am Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg zum In-Lokal. Die verbliebenen drei Köche schufteten nun jedoch sieben Tage in der Woche in einem Restaurant mit fast 100 Plätzen. „Ende 94 waren sie körperlich völlig am Ende. Einer hatte eine Gelenkentzündung an der Schulter, die anderen beiden waren ebenfalls gesundheitlich angeschlagen“, erzählt sie. Zwar hatten sie bereits im Sommer zwei weitere Köche beim Arbeitsamt beantragt. Aufgrund der langwierigen bürokratischen Prozedur wurden diese aber erst im Februar 1995 genehmigt. Inzwischen gab es jedoch die Zwei-Köche-Regelung, die den Zuzug neuer Köche für das „Maothai“ untersagte.
Geschäftsführer Norbert Frankenstein startete eine Protestkampagne. Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) intervenierte gegen die Zwei-Köche-Regelung. Schließlich erging im April diesen Jahres eine Weisung von Arbeitsminister Norbert Blüm, nach der „in begründeten Ausnahmefällen“ bis zu fünf Köche erlaubt sind. Erst daraufhin durfte das „Maothai“ seine zwei neuen Köche einstellen.
Diese Ausnahmeregelung ist allerdings vom Ermessen des Arbeitsamtes abhängig. Und die Anforderungen der ausländischen Küche sind für deutsche Beamte offensichtlich nicht so leicht nachvollziehbar. Christian Kayser, Leiter der Ausländerberatung in Berlin, schlägt beispielsweise vor, Küchenhilfen einzustellen oder in Deutschland ansässige Ausländer in den Restaurants als Köche auszubilden. „Völlig utopisch“, meint dazu Petra Gleim. Da alle Speisen frisch zubereitet werden, machen die Köche alles selbst.
Nach drei Jahren müssen Köche zurück in die Heimat
So unterscheidet die komplizierte thailändische Küche beispielsweise 20 verschiedene Sorten Basilikum. Schon ein Koch aus Südthailand würde sich nicht mehr zutrauen, die Eigenheiten der siamesischen Kochkunst aus Nordthailand zu erlernen. Außerdem müssen laut „Anwerbestopp-Ausnahme-Verordnung“ von 1973 die Köche nach drei Jahren Deutschland wieder verlassen – gerade wenn sie sich eingearbeitet haben.
Rund 5.000 DM, so haben die Betreiber des „Maothai“ errechnet, kostet sie mit Flug, Überbrückungsgeld und Papieren die Einstellung eines neuen Koches. Außerdem ist die Suche langwierig und unsicher. Als sie das letzte Mal nach einem halben Jahr endlich die Genehmigung des Arbeitsamtes erhalten hatten, arbeiteten die in Thailand angeworbenen Köche inzwischen an einem anderen Ort. Nur mit Glück konnten sie überredet werden, ihre neue Stelle für die Arbeit in Deutschland wieder aufzugeben.
Die ersten Köche des Restaurants müssen Ende 1995 nach Thailand zurück, die Betreiber des „Maothai“ wollen mit einer Unterschriftenliste weiter gegen die Behörden kämpfen. „Die Listen stammen noch von den Protesten gegen die Zwei-Köche-Weisung“, sagt Petra Gleim. „Jetzt werden wir damit einfach gegen die Drei- Jahres-Regelung kämpfen.“ Dorothea Schildt
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