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Ein Dach für Velo-Freunde

■ Das Übernachtungsverzeichnis des ADFC ermöglicht Radlern kostenlose Übernachtungen auf Reisen / Die Berliner Teilnehmer bekommen selten Besuch

„Jedes Jahr einmal, zur Biennale, übernachtet ein Erfurter Filmfanatiker bei uns“, sagt Helga Zimmermann. Er sieht nicht nur gerne Filme, sondern fährt ebenso gerne Fahrrad. In einer fremden Stadt kostenlos und privat bei anderen Menschen zu übernachten, ist für RadfahrerInnen einfach, wenn sie im ADFC Ratgeber verzeichnet sind. Seit 1987 gibt es den „Dachgeber – Reiseradlers Übernachtungsverzeichnis“. Wer bereit ist, andere Menschen bei sich aufzunehmen, kann auch bei den anderen eingetragenen Teilnehmern übernachten.

Voraussetzung ist nur, daß er oder sie mit dem Fahrrad unterwegs ist. „Aber ich sehe das nicht so streng, letztlich muß der angesprochene Gastgeber darüber entscheiden, ob er jemanden aufnimmt, der nicht mit dem Fahrrad unterwegs ist, aber Autoreisende sollten abgelehnt werden, weil dies dem Grundgedanken des umweltfreundlichen Reisens widerspricht“, argumentiert Wolfgang Reiche, der Erfinder des Dachgebers.

Mindestens einer der 184 Berliner DachgeberInnen, nutzt auch als Bahnreisender den Dachgeber: Schon mehrere Male hat die Kriminalhauptkommissarin Bärbel Engerer dem bahnreisenden Berlinbesucher Reiche Unterkunft gegeben, der darauf angesprochen, sagt: „Da war ich gerade zur Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin, um Werbung für den Radtourismus zu machen. Ich schlafe jetzt immer, wenn ich zur ITB komme, bei Bärbel.“

„Fünf junge Mädchen, die hier in Berlin auf ein Popkonzert wollten“, hatte Eva Maria Epple zu Besuch. Die Leute, die nach Berlin kommen, haben einen bestimmten Anlaß dazu und Berlin ist nicht eine Station auf einer großen Tour. Sowohl Zimmermann, Engerer als auch Epple können trotz mehrjähriger Mitgliedschaft nur auf ein bis zwei Besuche im Jahr zurückblicken. „Es gibt ein eindeutiges Stadt- Landgefälle“, sagt Joachim Klaas, der in Bremen den Dachgeber mitkoordiniert. „Außerdem kann man unterscheiden zwischen den DachgeberInnen und den DachnehmerInnen. Das sind zwei fast getrennte Gruppen. Es gibt Menschen, die selbst nie Radtouren machen, aber einfach gerne Besuch bekommen“, sagt er. Diese seien oft enttäuscht, wenn sich nur wenige Menschen bei ihnen melden würden.

„Noch nie“ hat sich bei Axel von Blomberg jemand gemeldet. „Radbuchautor, kann gute Tips fürs Umland geben, schätze Erfahrungsaustausch“ – diese Angaben in der Anmerkungsspalte des Dachgebers hätten eigentlich mehr erwarten lassen. Von Blomberg scheint somit ungewollterweise zu der Gruppe der DachnehmerInnen zu gehören. Er nutzt den Dachgeber bei seinen Radtouren intensiv, dabei ist ihm der menschliche Kontakt am wichtigsten. „Wenn die Leute nur mitmachen, um billig zu übernachten, dann gefällt mir das nicht. Das Wichtige ist doch auch der persönliche Kontakt zu jemanden, der sich gut auskennt. Außerdem hat man mit dem Radfahren eine Gemeinsamkeit, ein Gesprächsthema“, sagt von Blomberg. So sieht auch Reiche im Dachgeber mehr als nur eine Adressenliste: „In einer Gesellschaft, in der alles immer hektischer und unpersönlicher wird, entstehen notwendigerweise Gegenströmungen, Menschen suchen den Kontakt zu anderen. Die uns in Deutschland weitgehend verlorengegangene unkomplizierte und selbstverständliche Gastfreundschaft wird so gefördert und dies ist in letzter Konsequenz ein Politikum.“

In den Dachgeber können sich alle Radreisenden eintragen lassen. Für ADFC-Mitglieder kostet dies zwölf Mark im Jahr, für andere Interessenten 18 Mark. Das Geld wird ausschließlich für Herstellung und Versand des Dachgebers verwendet. Ina Rust

Wer Mitglied werden möchte, kann einen frankierten und an sich adressierten Rückumschlag an folgende Kontaktadresse schicken: „ADFC- Dachgeber“, Mathildenstraße 89; 28203 Bremen.

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