Paradiesischer Arbeitsalltag? -betr.: "Angestelltenkammer will entlassen", taz v. 14.6.1995

Betr.: „Angestelltenkammer will entlassen“, taz v. 14.6.

Es ist schon ein starkes Stück, wenn die Beschäftigten der Angestelltenkammer und des BBI so ganz nebenbei bei der Frühstückslektüre erfahren müssen, daß sie und rund 80 ihrer Kolleginnen und Kollegen demnächst mit Kündigungen zu rechnen haben. „Völlig überraschend“ traf die beiden Geschäftsführer Eberhard Fehrmann und Dr. Hans Endl der Rückgang der Kammmerbeiträge, und ebenso überraschend wird sie demnächst auch wohl der Rückgang der Teilnehmergebühren im Bildungsbereich treffen. Als große Lösung des Problems fällt den beiden hochdotierten Führungskräften der basisdemokratisch von Gewerkschaften geführten Arbeitnehmerkammer dann nur noch Privatisierung und Personalabbau ein. Daneben wird auf den Abbau angeblicher finanzieller Wohltaten gesetzt, die die beiden Geschäftsführer mal eben so auf rund 300 Mark pro Monat und MitarbeiterIn „schätzen“.

Da wird so manche Kollegin imSachbearbeitungsbereich nicht schlecht gestaunt haben und in ihrer BAT VII/VI b-Gehaltsabrechnung vergeblich nach diesem Sümmchen gefahndet haben. Die Wirklichkeit sieht nämlich anders aus: Auch für die Beschäftigten der Angestelltenkammer gelten kraft Satzungsrecht die tariflichen Vergütungsgrundsätze des bremischen öffentlichen Dienstes, die auf allen Ebenen auch strikt angewendet werden. Was darüber hinaus einmal im Jahr zusätzlich im privaten Haushaltsbudget der Kammerangestellten verbleibt, ist eine Errungenschaft, die in vielen Betrieben der Privatwirtschaft längst zur Selbstverständlichkeit geworden ist und für die die Gewerkschaften gerade auch im öffentlichen Dienst von Jahr zu Jahr mit wachsendem Erfolg streiten: nämlich ein halbes zusätzliches Gehalt als Urlaubsgeld. Von darüber hinaus gehenden übertariflichen Leistungen profitieren bei der Kammer demnach offenbar nur wenige, wohl nicht zuletzt auch die Geschäftsführung selbst.

Vor diesem Hintergrund und mit einem zusätzlichen Essengeld in Höhe von 30 DM/Monat ausgestattet, wird sich so mancher in der Angestelltenkammer wohl gedacht haben, daß ihm nun nur noch eines an einem wirklich paradiesischen Arbeitsalltag fehlt: nämlich eine Geschäftsführung, die nicht mehr völlig unvorbereitet von Jahr zu Jahr in immer neue finanzielle Katastrophen hineinschliddert und dann nicht auch noch obendrein ihre gesamte Belegschaft öffentlich in Verruf bringt und damit dem Ansehen der Angestelltenkammer schweren Schaden zufügt. Für diesen Schaden werden nämlich in erster Linie die Kammerbeschäftigten die Zeche zu zahlen haben, und auch darin unterscheidet sich die Angestelltenkammer wohl kaum von anderen Betrieben.

Der Personalrat und

Belegschaftsmitglieder der Angestelltenkammer Bremen