: „Da guckt ja keiner“
■ betr.: „Zershellt am Boykott“, taz vom 22. 6. 95
So sehr wir uns über den Sieg von Greenpeace über Shell freuen, jetzt geht die Arbeit erst richtig los. Je strenger die Umweltauflagen in Europa werden, um so lieber wandern die Multis in die abgelegenen Regenwälder der Erde ab, nach dem Motto „Da guckt ja keiner“. Notwendig ist ein weltweiter Verhaltenskodex für Ölkonzerne.
Was Ölförderung im Regenwald bedeutet, kann man im Cuyabeno-Wildlife-Reservat in Ecuador besichtigen: seit 1972 bereits 63,6 Millionen Liter chemisch verschmutzten Öls wurde von Ölkonzernen einfach in den Regenwald entsorgt. Es guckte ja jahrelang keiner. Die Ölstraßen öffneten den Weg für die Zerstörung durch Siedler.
Und im Nachbarland Peru beginnt der Angriff des drittgrößten Ölmultis MOBIL (Muttergesellschaft Aral) auf die unerschlossenen Regenwälder der Provinz Madre de Dios gerade. Mit Hilfe von Wissenschaftlern der Uni Hamburg sucht der Konzern nach Öl im Tambopata-Reservat und nördlich des Manu-Nationalparks.
Hier hatte sich Shell schon 1984 betätigt. Um Auseinandersetzungen mit Indianern zu vermeiden, schenkte Shell den Nahuas Kleidungsstücke. Dutzende Indianer starben an Tuberkulose, Grippe und Bronchitis. Reinhard Behrend, Rettet den Regenwald e.V.
[...] Der Autofahrer als potentieller Luft- bzw. Umweltverpester beansprucht für sich nun einen grünen raison d'être, also ein Etikett, das ihn als grünen Bürgerrevoluzzer ausweist. Daß Otto damit Etikettenschwindel betreibt, bemerkt er selber gar nicht. Der Umwelt ist es schließlich egal, ob sie nun von Dea-Schadstoffen gewürzt wird oder von „unmoralischen“ Shell- Schadstoffen. Erst ein Boykottaufruf gegen alle Tanken würde der Sache Sinn verleihen. So aber ist und bleibt die bürgerliche Katharsis nur eine Farce. Alexander Gruhler, Bonn
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