Keine Papiere – Abschiebehaft

■ 17jähriger Algerier seit 6 Monaten im Knast

Seinen 17. Geburtstag verbringt Kamel S. heute in der JVA Blockland. Seit dem 4.1.95 befindet sich der Algerier in Abschiebehaft. Einziger Grund: Die algerischen Behörden haben ihm bislang keine Paßersatzpapiere ausgestellt. Statt Kamel S. für die Dauer dieses Verfahrens auf freien Fuß zu setzen, reagierte die hiesige Behörde mit inzwischen fünf Haftbeschlüssen.

Der Asylantrag von Kamel S. war im vergangenen Jahr als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt worden. Seine Klage gegen die Ablehnung ist noch anhängig. Da die Behörden jedoch auch vor der Entscheidung darüber abschieben können, stellte Kamels Anwalt einen Eilantrag zur Verhinderung der Abschiebung. Dieser wurde abgelehnt, verbunden mit der Aufforderung, Kamel S. solle bis zum 30.9.94 ausreisen. Aus Angst vor der Rückreise setzte sich der 16jährige ab. Der Versuch, seinen Aufenthalt in einem anderen europäischen Land zu legalisieren, scheiterte am zuvorigen Asylantrag in Deutschland. Anfang 95 kehrte er zurück und wurde am 4.1. inhaftiert.

Obwohl die Ausländerbehörde eine Unterbringung in einer Asylunterkunft hätte anordnen können, wurde per Beschluß vom 15.2. die Haft um weitere sechs Wochen verlängert. „Für den Betroffenen konnte noch kein Paßpapier beschafft werden, weil er nicht bereit ist, einen entsprechenden Antrag auszufüllen“, heißt es in der Begründung. Damit gibt die Behörde zu, daß die Abschiebung in den ersten sechs Wochen faktisch unmöglich war, lastet die Schuld dafür aber dem 16jährigen an. Dabei stellt der Nicht-Besitz eines Passes keinen Haftgrund dar. Selbst wenn der Betroffene gegenüber der Ausländerbehörde die Unwahrheit sagt oder die Angaben verweigert, ist das zwar ein Grund für die Abschiebung, nicht aber für die Abschiebehaft.

Die folgenden zwei Haftbeschlüsse stellten auf eine zwangsweise Vorführung beim algerischen Generalkonsulat ab. Da diese für die Behörde keine genügende Klärung brachte, folgte ein fünfter Beschluß: Sollte das algerische Konsulat nach einer neuerlichen Überprüfung dem Betroffenen kein Ersatzpapier aushändigen, heißt es, lasse „das den Rückschluß zu, daß der Betroffene hinsichtlich seiner Personalien bisher falsche Angaben gemacht hat.“ In beiden Fällen entspreche die Haftverlängerung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Das aber sieht der Richter des Landgerichtes, das sich mit der inzwischen dritten Beschwerde vom Anwalt des algerischen Jugendlichen beschäftigt, anders. Als „unhaltbar“ bezeichnete der Richter die Unterstellung, wonach die Weigerung des Konsulats, Ersatzpapiere auszustellen, auf falsche Angaben von Kamel S. zurückzuführen sei. Da Kamel S. trotzdem noch immer in Haft sitzt, legt sein Anwalt nun die vierte sofortige Beschwerde ein.

Es steht zu vermuten, daß die Behörden den jungen Algerier so lange in Haft halten wollen, bis der deutsch-algerische Abschiebevertrag, dessen Verabschiedung vor wenigen Tagen verschoben wurde, endgültig unterschrieben ist. Ein Abkommen, das die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL angesichts der Hinrichtungen in Algerien und nachweislichen Menschenrechtsverletzungen an abgewiesenen Asylsuchenden mit den Worten kommentiert: „Ein Abkommen mit einer Konfliktpartei, die für diesen Terror maßgeblich verantwortlich ist, bedeutet Parteinahme auf Seite des Verfolgerstaates durch die Bundesregierung.“ dah