: Kein Endlager in den Schweizer Bergen
■ Volksabstimmung in Nidwalden endet mit Erfolg für Anti-Atom-Bewegung
Freiburg (taz) – Die Geschenke halfen nichts. Gratisstrom im Wert von 4 Millionen Franken pro Jahr versprach die Schweizer Atomentsorgungsgesellschaft Nagra dem kleinen Bergkanton Nidwalden, wenn das Endlager Wellenberg in Bau gehen würde. Doch bei der Volksabstimmung am Wochenende unterlag die Atomlobby knapp. 9460 BürgerInnen (52 Prozent) sprachen sich gegen die Konzession aus, nur 8563 dafür. Als vor einem Jahr in der Standortgemeinde Wolfenschiessen abgestimmt wurde, sah das Bild noch anders aus. Mit 511 zu 322 Stimmen hatte die Gemeindeversammlung dem Endlagerbau zugestimmt. Auch hier hatte die Nagra erhebliche finanzielle Zusagen gemacht: über 150 Millionen Franken wären der Gemeinde in den nächsten 50 Jahren sicher gewesen. Die Atom-Einnahmen pro Jahr wären höher gewesen als alle übrigen Gemeindeeinnahmen zusammen.
„Wenn die Nidwaldener vor 704 Jahren so käuflich gewesen wären wie heute, gebe es die Schweiz wohl gar nicht“, lautete ein beliebtes Argument der AtomgegnerInnen. In Nidwalden ist man stolz auf die Beteiligung am Rütlischwur 1291. Die Geldgeschäfte der Gemeinde Wolfenschiessen sorgten deshalb für böses Blut. Erst durch die Einführung eines Nidwaldener Bergregalsgesetzes 1993 war die Abstimmung auf Kantonsebene möglich geworden. Die Nagra sah den Ärger voraus und klagte gegen das Gesetz bis zum Schweizer Bundesgericht – ohne Erfolg.
Doch es ging nicht allein um den schlechten Stil der Nagra. Das Komitee „Stop Wellenberg“ berief sich vor allem auf unabsehbare Gefahren für das Trinkwasser durch die Einlagerung der schwach- und mittelaktiven Abfälle. Der Sieg des Anti-Atom-Lagers in der Innerschweiz sorgte bei Bürgerinitiativen in der Nordschweiz und in Südbaden für gemischte Gefühle. Dort sieht man jetzt neue Gefahren für das Hochrheingebiet zwischen Basel und dem Bodensee. In Würenlingen residiert das Schweizer Atomforschungszentrum Paul-Scherrer-Institut (PSI), in dessen Nähe ab nächstem Jahr das zentrale Schweizer Zwischenlager für Nuklearabfälle aller Art entsteht. In einer offenen Halle sollen dort luftgekühlte Behälter rund 50 Jahre gelagert werden. Der südbadische BUND fürchtet, daß dieses Zwischenlager mangels Alternative schnell zum Endlagerstandort mutieren könnte. Denn der Nordschweizer Kanton Aargau gilt allgemein als atomfreundlich – nicht zuletzt dank der großzügigen Finanzspritzen der Nagra. Immerhin vier der fünf Schweizer AKWs stehen an der deutsch-schweizerischen Grenze.
Doch bei der Nagra hat man auch den Wellenberg noch nicht aufgegeben. „Das Gestein hat sich ja durch die Abstimmung nicht verändert“, gibt sich Nagra-Sprecherin Verena Schatzmann kämpferisch. Es wird bereits überlegt, ein neues Referendum in Nidwalden herbeizuführen: „Viele Endlager-BefürworterInnen haben am Sonntag gegen die Konzession gestimmt, weil sie erst einmal das Ergebnis der Sondierungsbohrungen abwarten wollten.“ Ein neues Referendum könnte sich dann allein auf den Sondierstollen beziehen.
Man merkt: Die Nagra ist Mißerfolge gewöhnt. In Ollon (Kanton Waadt) war sie vor Jahren mit Mistgabeln aus dem Dorf gejagt worden. „Da ziehen wir eine Abstimmungsniederlage vor“, räumt Verena Schatzmann ein. Auch bei der Suche nach einem Standort für das zweite Endlager steht die Entsorgungsgesellschaft noch mit leeren Händen da. Dieses zweite Lager soll ausschließlich hochaktiven Atommüll aufnehmen. Erkundet werden zwei Gebiete, zum einen der atomverliebte Aargau, zum anderen das Züricher Weinland. Gebohrt wird derzeit in Leuggern (Aargau) und Benken (Zürich), angeblich aber nur um geologische Messungen der Umgegend vorzunehmen. Ein Endlager braucht die Schweiz nicht vor dem Jahr 2020. Wenn in der Schweiz alle Stricke reißen, könnte auch der Atommüllexport in ein anderes europäische Land in Frage kommen.
Schweizer Land bleibt eidgenössisch
Berlin (taz) – Die Schweizer Bevölkerung hat in einer Volksabstimmung Erleichterungen für ausländische Immobilienkäufer abgelehnt. 53 Prozent der Stimmbürger votierten gegen die Erleichterung, obwohl die meisten Parteien und sämtliche Wirtschaftsverbände die Lockerungen befürworten. Auch die Regierung hatte argumentiert, mehr ausländische Investoren brächten mehr Jobs ins Land.
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