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Unterm Strich

Eigentlich, so hatte der gestrige Kurzmelder verfügt, ist jetzt Schluß mit lustig. Mit Christo und so. Aber wußten Sie eigentlich, daß allmählich die Stoffproben knapp werden, weil man am letzten Wochenende so damit geaast hat? Daß man sich die jetzt einteilen will und nur noch so um 80.000 Stück am Tag ausgeben will, weil's sonst nicht reicht bis zum Schluß? Daß irgendwelche Oberschlaumeier mit eigens mitgebrachten Scheren hinterrücks Löcher in die Kunst schneiden? Und daß nach dem Ansturm der Sonntagsgucker seit gestern „entspannte Ruhe“ herrscht, die Herr Scharping klug (wiederhole: klug) zu nutzen wußte? Wußten sie außerdem, daß die Weltpresse vom „größten Kunstereignis seit Wagner“ schwärmt? Und daß Herr Mommert von der dpa sich in der Nacht von Montag auf Dienstag, genauer um 1 Uhr 30 MEZ, nach Lektüre nämlicher Weltpresse zu einem Feature mit dem Titel „Christo schenkt Berlin erstes Hauptstadterlebnis seit dem Mauerfall“ hinreißen ließ? Wußten Sie nicht, woher denn auch. Nur gut, daß der gestrige Kurzmelder jetzt nicht hier ist, sonst hieße es jetzt Füße aus der Bütt und ab und Schluß mit lustig.

Während über Christos Reichstag Kleinfliegzeug in wahren Schwärmen kreist (Herr Mommert, wär' doch was: „Christo beschert Berlin erstes Massenflugerlebnis seit der Blockade“), wurde gestern abend über dem Hafen von Amsterdam das Hubschrauber- Streichquartett des deutschen Komponisten Karlheinz Stockhausen uraufgeführt. Vier Helikopter der Königlich-Niederländischen Luftwaffe kreisten mehrere hundert Meter hoch in der Luft. An Bord spielten zwei Violinisten, ein Altviolinist und ein Cellist. Vier Kameras und zwölf Mikrofone übertrugen das Himmelskonzert in Ton und Bild in einen Konzertsaal. Dort mixte Stockhausen die Geigenklänge mit dem Geräusch der kreisenden Rotorblätter. Von „beflügelnd“ bis „abgehoben“ reichten am Dienstag die Kritiken der niederländischen Zeitungen. Die in Amsterdam erscheinende Tageszeitung De Volkskrant rühmte die Neuschöpfung am Dienstag als „faszinierendes Klanggewebe“. Dagegen schrieb das Algemeen Dagblad aus Rotterdam: „Das versprochene Spektakel blieb aus, die Musik ging an Spannungslosigkeit zugrunde.“ Das Helikopter-Streichquartett war dem Maestro einst im Traum erschienen. Am nächsten Tag schaute er aus dem Fenster und sah

vier Hubschrauber über den Rhein fliegen. „Da sagte ich mir: Jetzt schreibe ich das Stück.“ Die Salzburger Festspiele hatten die Uraufführung bereits eingeplant, sagten das Spektakel nach Protesten von Umweltschützern gegen die Luftverschmutzung jedoch ab. Erst im Rahmen des „Holland Festivals“ konnte Stockhausen seine Vision nun verwirklichen.

Bei Christie's in London – dienen wir Ihnen seit Jahren ebenso regelmäßig wie erfolglos als Super-Einkaufspflaster an – wurde gestern für das Gemälde „La Cathedrale de Rouen, Effet d'Apres-midi“ von Claude Monet ein Rekordpreis von 7,591 Millionen Pfund (16,8 Millionen Mark) gezahlt – mal wieder von einem anonymen Bieter. Auch das Bild „La Table“ von Joan Miró wurde bei der Auktion von einem Unbekannten für 4,723 Millionen Pfund (10,4 Millionen Mark) erstanden. Aber keine Sorge, die kriegen wir auch noch raus.

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