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Solarzellen sterben aus

Während amerikanische und japanische Konzerne sich für den Weltmarkt rüsten, werden hierzulande immer weniger Solarzellen produziert  ■ Von Anne Kreutzmann

Aachen (taz) – Japans Solarindustrie – Sanyo, Kyocera, Sharp – rüstet sich für den Weltmarkt. In den USA überlegt die Firma Solarex, wo die neue 19-Megawatt-Produktionsanlage für Photovoltaikmodule stehen soll. Die Weltjahresproduktion an Solarmodulen beträgt momentan 70 Megawatt – Tendenz: steil steigend. In Deutschland dagegen wird nahezu die komplette Modulproduktion gerade durch das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) stillgelegt.

„Solarenergie ist noch nicht marktreif, wir müssen erst noch forschen“, erklärte Ulrich Beyer den Diskussionsstand seines Arbeitgebers, der RWE Energie AG, auf der Hannover-Messe im April. Bei über 2.000 funktionsfähigen Solarstromanlagen allein auf deutschen Dächern, ein schwer zu vermittelnder Gedanke.

Jetzt läßt die RWE der Diskussion Taten folgen: Ende des Jahres soll die Produktion von Standard- modulen in Deutschland zugunsten von Forschungsprojekten komplett eingestellt werden. Die entscheidenden Gespräche finden diese Woche in den USA statt.

In der Angewandte Solarenergie (ASE) GmbH hatten RWE und Daimler Benz 1994 ihre Modulproduktion in Wedel und Alzenau zusammengelegt. Seit der Gründung der ASE ist die deutsche Photovoltaikindustrie damit praktisch komplett in der Hand des RWE. Neben den Standorten Wedel und Alzenau besitzt das RWE-Unternehmen noch Produktionsstätten in Heilbronn und Putzbrunn. Insgesamt kontrolliert die ASE so an die 90 Prozent der Produktion dieser Technik in Deutschland überhaupt. Lediglich Siemens besitzt noch eine Produktionsanlage in der Größenordnung von 500 Kilowatt in der Nähe von München. Doch auch hier kursieren schon erste Gerüchte über eine mögliche Einstellung der Produktion.

Ich kam, sah und kaufte, war die Devise des RWE beim Zusammenbau der ASE gewesen. Wann immer eine Solarmodulproduktion zum Verkauf stand, waren die Essener Konzernherren mit der prall gefüllten Tasche vor Ort. Doch nun droht nach nur zwei Jahren die Kehrtwende, der Laden wird dicht gemacht. „Nur rote Zahlen, kein Gewinn“, ist die offizielle Begründung aus Alzenau.

Schon Anfang Juni waren die ersten Gerüchte im Umlauf. Bis zum Jahresende würden alle vier großen deutschen Produktionsstätten von Solarmodulen stillgelegt werden, war in den Nachrichten zu hören. RWE dementierte nur lau: Noch seien die Gespräche nicht abgeschlossen, hieß es damals.

Die Gerüchte hatten Substanz. Karl-Wilhelm Otto, Bereichsdirektor regenerativer Stromerzeugung der RWE Energie AG, bestätigte der taz: Im schleswig-holsteinischen Wedel soll die Solarmodulproduktion in der Größe von zwei Megawatt pro Jahr schon ab dem 1. Januar 1996 vollständig eingestellt werden. Überlegt wird nur noch, dort einen Vertriebsstützpunkt aufzubauen. Arbeitsplätze könnten unter Umständen auch in der Systemtechnik erhalten bleiben. In jedem Falle würden zukünftig „deutlich weniger“ als die momentan hundert Beschäftigten in Wedel arbeiten.

Ein ähnliches Vorgehen ist für das bayrische Putzbrunn geplant. Auch diese Produktionsstätte wird vermutlich komplett geschlossen werden. Hier werden jährlich Ein- Megawatt-Module aus amorphem Silizium hergestellt.

Im hessischen Alzenau sollen künftig nur mehr Solarzellen für Forschung und Entwicklung gefertigt werden. Bisher lag die Kapazität dort bei einem Megawatt pro Jahr. Sie wurde in den vergangenen Jahren allerdings meist nur zur Hälfte genutzt.

Nur der Standort Heilbronn „bleibt so, wie er ist“. Die Produktion in Heilbronn ist klein (100 Kilowatt jährlich) und vor allem nicht für den privaten Markt bestimmt. Hier werden Hochleistungs-Gallium- Arsenid-Module für die Raumfahrt produziert. Heilbronn darf weitermachen.

Profitieren vom Kahlschlag in Deutschland wird der fünfte Produktionsort der RWE-Tochter in Amerika: ASE Americas Inc. in Billerica bei Boston. Die Produktionskapazität der ASE Americas Inc. soll demnächst von 1,5 Megawatt auf 4 bis 5 Megawatt im Jahr ausgeweitet werden. In Wedel werden Maschinen demontiert, um in Billerica wieder aufgebaut zu werden. Begründet wird die Verlagerung der Modulproduktion nach Amerika mit den geringen Lohnkosten dort. In den USA kann im Dreischichtsystem ohne große Nachtzuschläge produziert werden. „Es lohnt sich nicht, fünf Modulproduktionen am Leben zu erhalten, die alle unwirtschaftlich produzieren“, erklärt RWE-Manager Otto.

Ob es an den Löhnen allein liegt, ist zweifelhaft. Während nämlich deutsche Solarmanager seit Jahren über die hohen Verluste bei ihrer Produktion klagen, gelingt es andernorts Firmen, mit Solarmodulen Gewinn zu machen. Die Firma Helius in Italien weist Gewinne aus. Gleiches gilt für den US-amerikanischen Hersteller Solarex: „Solarex schreibt schwarze Zahlen“, weiß RWE-Manager Ulrich Beyer. Warum, weiß er nicht.

Ein Blick in die deutschen Solarfabriken läßt aber Vermutungen sprießen.

In Alzenau zum Beispiel passiert noch viel per Handbetrieb. Zwar gibt es bereits eine kleine Maschine, die die Solarzellen „verdrahtet“ und in einer Reihe anordnet, doch muß immer noch ein Arbeiter danebenstehen, um die häufig auftretenden Verkantungen zu beseitigen. Zum Trocknen werden die Module auf Holztische gelegt. Auch das Anbringen der Klemmen, die beide Modulseiten während des Trocknungsprozesses zusammenhalten, ist Handarbeit. Da dürften den Japanern die Lachtränen kommen.

Da hierzulande keine Gebrauchsmodule mehr hergestellt werden sollen, kann von angewandter Solarenergie wohl nicht mehr die Rede sein.

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