: Keine Blankovollmacht für Kriegseinsatz
■ Im Bundestag werden nur wenige Grüne und Sozis mit Kohl für einen Bosnien-Einsatz der Bundeswehr stimmen
Bonn (taz) – SPD-Chef Rudolf Scharping hat gestern der Bundesregierung vorgeworfen, sie plane den Bosnien-Einsatz der Bundeswehr ohne Rücksicht auf internationale Entwicklungen. Mit ihrem ausdrücklichen Beschluß, daß deutsche Soldaten auch einen möglichen Abzug der UN-Truppen sichern sollten, habe sich die Regierung „international isoliert“. Damit werde die Bundesrepublik zum einzigen Land, „das jetzt was über einen Abzug sagt“. Scharping sprach von einem „außenpolitisch höchst problematischen Signal“.
Mit ihrer Politik setze die Bundesregierung die Fehler fort, die sie mit der verfrühten Anerkennung von Kroatien und Slowenien begonnen habe, warnte Scharping. Aus der „ganz anderen außenpolitischen Linie“ der SPD ergebe sich auch die unterschiedliche Auswahl der Mittel für einen Einsatz der Bundeswehr in Bosnien. Denn der SPD-Antrag zur „deutschen Unterstützung im ehemaligen Jugoslawien“ unterscheide sich nicht nur in der Ablehnung von Kampfflugzeugen, wie dem ECR-Tornado. Die SPD will die Hilfe auf die Unterstützung des humanitären Einsatz des UN-Mandats konzentrieren und zunächst bis Ende des Jahres begrenzen.
Ausdrücklich lehnen die Sozialdemokraten eine Beteiligung von Wehrpflichtigen ab. Scharping wiederholte außerdem seine Forderung nach einer „wirksameren Durchsetzung“ des Waffenembargos – im Zweifelsfall auch mit militärischen Mitteln.
Scharping geht davon aus, daß die große Mehrheit der SPD-Fraktion dem vom Fraktionsvorstand und vom Parteipräsidium gebilligten Antrag am Freitag im Bundestag zustimmen wird. SPD-Parlamentarier, die nach „sorgfältiger Güterabwägung“ für den Regierungsantrag stimmen werden, will er jedoch ernst nehmen und respektieren.
In der Fraktionssitzung von Bündnis 90/Die Grünen zeichnete sich gestern nachmittag eine weitgehende Mehrheit gegen die Vorlage der Bundesregierung ab. Der Fraktionsvorstand hatte ein gemeinsames Papier vorgelegt, das innerhalb der Linken und auch bei jenen Abgeordneten als akzeptabel gilt, die sich nicht grundsätzlich gegen eine Bundeswehrbeteiligung an Blauhelmeinsätzen aussprechen.
Das Papier wirft der Bundesregierung vor, sie sei von ihrer bisherigen Lageeinschätzung abgerückt, wonach deutsche Kampftruppen in Ex-Jugoslawien konfliktverschärfend wirkten. Das Kabinett mache keine verbindlichen und präzisen Angaben über die politischen und die militärischen Ziele, es verlange vom Bundestag eine „Blankovollmacht für einen Kriegseinsatz“.
In der bündnisgrünen Fraktion wurde erwartet, daß dem Kabinettsbeschluß im Bundestag am Freitag weniger als fünf grüne Abgeordnete zustimmen. Die Abgeordneten Gerd Poppe und Waltraud Schoppe, die in der Bosnien- Frage öffentlich gegen Parteitagsbeschlüsse argumentieren, äußerten gestern vor der Sitzung Vorbehalte gegen die Regierungsvorlage. Poppe will am Freitag nur unter der Voraussetzung zustimmen, daß bei einer Umgruppierung der UN-Truppen keine Enklaven aufgegeben werden. Schoppe fordert eine Klärung, ob der Vorratsbeschluß über deutsche Hilfe tatsächlich nur für einen von UN-Resolutionen gedeckten Abzug der Blauhelme gilt. Karin Nink/Hans Monath
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