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Nur nichts anbrennen lassen

■ Starke Frauenbilder: Sportlerinnen, Künstlerinnen, Wirts- und Hausfrauen im Porträt/ Ausstellung in der Schlachthof-Galerie

Nichts anbrennen lassen, immer altes mitnehmen“, sagt die eine, die andere meint: „Jede Frau sollte nach 18 Uhr wieder Frau werden.“ Gefragt wurden beide Damen – beide über Sechzig, früh verwitwet – nach dem Mann. Also im Grunde nach ihrem Leben ohne Mann. Die Fotografin Andrea Lühmann besuchte alleinstehende, betagte Frauen in ihren Wohnzimmern, „es gab stets Plätzchen und Kaffee“; jetzt hängen die Damen in ihren Sesseln akkurat gerahmt im Passepartout, als wären sie selbst zur Dekoration ihrer Sitzgruppe bestimmt.

Diese und andere Frauen-Portraits zeigen Andrea Lühmann/ Bremen und Nanna Lüth/Bielefeld in der fünften Ausstellung der Reihe „Für Sieh“ in der Galerie im Schlachthof. Die Reihe fragt nach dem Selbstbegriff von Künstlerinnen. Die Fotografinnen finden ihre künstlerische Identität im Abbilden „des Weiblichen“ wieder, oder, mit den Worten von Nanna Lüth: „Ich fotografiere lieber Frauen.“

Und doch haben die Arbeiten von Andrea Lühmann und Nanna Lüth (die ihre Ausstellung zweckfrei unter dem kollektiven Namen „LüLü-Portraits“ zeigen) gemeinsam, daß sie versuchen, sich vom Mann abzugrenzen: Die beiden Fotografinnen nehmen den Umweg über Vorstellungen des „Männlichen“ zu Begriffen des „Weiblichen“. Denn an den alten Damen interessierte Andrea Lühmann vor allem das ungewöhnliche Alleineleben – würde sonst jemand danach fragen, was „nach 18 Uhr“ passiert? Nanna Lüth wollte „mächtige Frauen“ abbilden, wie sie sagt. Jedoch andere als die toughen Alleskönnerinnen oder gar (Achtung Reizwort) die Girlies – Stereotypen, die auf Männerphantasien gründen. „Zeigt mir eure Machtsymbole“, bat die Fotografin Frauen unterschiedlicher Generationen. Da stellt sich eine Frau in Ringelshirt und Jeans locker an den Tresen und greift zum Zapfhahn. Und blickt zwar cool, aber doch etwas staunend, als wollte sie fragen: „Macht?“ So inszenieren die Frauen, gemeinsam mit der Fotografin, starke Frauenbilder, die sich von den üblichen Klischees emanzipiert haben. Die Fotografin Thekla in ihrer Lederjacke, nicht in wütender Aktion, sondern introvertiert, innehaltend im Menschenstrom einer belebten Fußgängerzone; die abgehärtete Wendo-Trainerin mit ihrem Pratzenhandschuh. In den Augen dieser Frauen ist zum Thema „Macht“ zu lesen: Koketterie, ein Schmunzeln, vielleicht sogar Verspieltheit. Der eigenen Großmutter gab Nanna Lüth als Machtsymbol ein Buch in die Hand. Die Großmutter, die nie ihr Studium in einen Beruf ummünzen durfte, staunt die Enkelin an.

Eine vermeintliche Männerdomäne hat sich Andrea Lühmann schließlich mit dem spektakulärsten Stück der Ausstellung vorgeknöpft. Porträts von elf Fußballerinnen nehmen eine komplette Wand des Galerieraumsin Beschlag. In rotem Trikot vor himmelblauem Hintergrund präsentiert sich die „Frauschaft ATSV Neustadt“, auf elf Paßfotos in Übergröße. Möglichst nüchtern und emotionslos, so die Regieanwesiung, sollten die Kickerinnen in die Kamera schauen. Tatsächlich blicken sie jetzt so abgeklärt aus ihren Bildern, so entschlossen, daß sie auf die BetrachterInnen fast wie eine Bedrohung wirken. Die Monumentalität und stilistische Strenge der Bilder tun ein Übriges dazu. An dieser kühlen Fassade prallen alle Versuche, weibliche oder männliche Klischees in die Gesichter hineinzugeheimnissen, einfach ab. Je mehr man diese Frauenbilder festlegen will, desto stärker entziehen sie sich. Silvia Plahl

Galerie im Turm, Kulturzentrum Schlachthof, bis 23. Juli

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