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„Der Mouse hätte fast geweint“

■ Wache Brommyplatz: Wie die deutsche Polizei sich gegenüber ausländischen Kinder benimmt

Der 14jährige Siad kam mit seinen Freunden gerade vom Eisessen, stand vor der Flüchtlings-Unterkunft in der St.Jürgen-Straße. Plötzlich hielten vier Polizeifahrzeuge, Beamte mit Hunden sprangen heraus: „Die haben uns einfach hier weggenommen.“ Siad ist in Beirut geboren, vier der Festgenommen sind staatenlose Libanesen, zwei Afrikaner aus Somalia, 9 und 11 Jahre alt. Warum die Festnahme? Das hat den Jugendlichen, die alle fließend deutsch sprechen, niemand gesagt, erzählt Siad. „Auf der Wache“ würden sie das sehen, habe man ihnen erklärt, als sie wissen wollten, was los sei. Der 9jährige Mouse aus Somalia wollte nicht, zögerte. „Los, los, wir sind hier nicht auf dem Spielplatz“, schubste ihn ein Beamter Richtung Polizeiwagen.

Das Ganze ging so schnell, daß die Eltern es kaum mitbekommen haben. Als die ersten Erwachsenen aus der Tür traten, fuhren die Polizeiwagen mit ihnren minderjährigen Gefangenen los. „Wache Steintor“ sagte einer der Beamten zu irgendeinem der Erwachsenen. „Wache Steintor“, das ist die durch einen Amnesty-International Bericht zu trauriger Berühmtheit gelangte Wache am Brommyplatz. „Der Mouse hätte fast geweint“, erzählt Siad empört. Mouse ist vor zweieinhalb Jahren nach Deutschland geflüchtet ist.

Auf der Wache mußten die Kinder zunächst warten, vor der Tür trafen eine Mutter und zwei ältere Brüder ein, wurden nicht hineingelassen. Kurz konnte die Lehrerin eines der festgenommen Kinder in die Wache hinein. Sie fragte, was denn los sei und ob sie bei einer Vernehmung ihres Schülers dabeisein dürfe. Die Antwort war, so erinnert sich Lehrerin Hesemann: Worum es gehe, gehe sie nichts an. Und bei der Vernehmung des 11jährigen Mohammed dürfe sie aus Datenschutzgründen nicht zugegen sein. Sie mußte die Wache verlassen.

Die Jugendlichen erzählen, daß dann ihre Personalien festgestellt wurden, sie erkennungsdienstlich behandelt wurden, „Fotos mit Nummer“. Sie mußten sich ausziehen und bis auf die Unterhose durchsuchen lassen. Tarek, der sich nicht ausziehen wollte, bekam einen Faustschlag von hinten gegen den Kopf.

Dann wurden die Jugendlichen in den Keller des Wache Brommyplatz in eine Zelle geschafft. Als die Kripo eintraf, mußten die Jüngeren zum Verhör - zuerst der neunjährige, dann ein elfjähriger. Sie wurden nach einem Überfall gefragt. Sie wußten von nichts.

Nach anderthalb Stunden wurden die Jugendlichen freigelassen. Und das ging so, erzählt Siad: „Da ist die Tür, raus, raus“, angeschrien worden seien sie. Warum wurden die Jugendlichen festgenommen? Siad: „Die haben nichts gesagt.“ Für die Eltern ein Papier? Haben sie nicht bekommen. Was passiert mit den Fotos, mit den Fingerabdrücken? Siad weiß es nicht.

Auf Nachfrage beim Revier hat die Pressestelle der Polizei gestern nach langem Suchen einen Vorfall gefunden. Ein Kurzwarenladen vor dem Steintor war gegen 17.40 Uhr von drei Jugendlichen überfallen, der 79jährigen Besitzerin 100 Mark geraubt worden. Die Täterbeschreibung („südländisch, dunkelhäutig“) habe auf die an der St.-Jürgen-Straße herumstehenden Jugendlichen zugetroffen, deshalb habe man sie festgenommen.

Warum die Eltern der Kinder und Jugendlichen, die sich im Hause befunden hatten, nicht informiert worden sind, steht in dem polizeiinternen Bericht nicht. Auch nichts von einer Vernehmung durch die Kripo ohne die Erziehungsberechtigten. Es habe eine Gegenüberstellung gegeben mit der Ladeninhaberin, die sei negativ verlaufen, sagt der Polizeisprecher, dann habe man die Jugendlichen ihren Eltern übergeben.

Wie die Beamten festgestellt haben wollen , wer da vor der Wache wartet, steht nicht in dem internen Bericht. Keine der vor der Wache wartenden Personen war Mutter oder Vater eines der Festgenommenen. K.W.

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