: Das Trio der Straßenköter
Heute beginnt die 6. Sommerakademie. Thema diesmal: Die „Kunst des Werbens“ ■ Von Christiane Peitz
Werbung und Moral gehen schlecht zusammen. Wer wirbt, macht die Lüge zum Geschäft. Der Bio-Kosmetik-Verkäufer will seiner Kundin jedoch glaubhaft versichern, daß wirklich kein Tierversuch im Lippenstift steckt: Er setzt also auf die Wahrheit zum Zweck der Verkaufsförderung. Werbung und Kunst vertragen sich besser: Schließlich wollen beide verführen, die eine im Dienst des Profits, die andere im Namen der Wahrheit. Zusammen ergeben Werbung, Kunst und Moral eine vertrackte Menage à trois.
Die diesjährige Sommerakademie, veranstaltet von der Abteilung „Film und Medien“ der Akademie der Künste, widmet sich ab heute drei Wochen lang diesem Trio, in Workshops („How to Advertise Old Sneakers“), Podiumsgesprächen (heute abend: „Sich selbst neu erfinden“ mit dem Oscarpreisträger und Visual-Effects- Profi Mark Dippe), Filmabenden (ganz viel Farocki) und Seminaren („Tabus in der Werbung“). „Die Kunst des Werbens“ geht zum einen der leicht angestaubten Frage nach, wie Werbung und Kunst einander beeinflussen und wer dabei wem den Rang abläuft. Abteilungs-Direktor Peter Lilienthal will außerdem herausfinden, wie sich moralisch integer werben läßt, und das auch noch effizient.
Eine Vielzahl der Veranstaltungen ist deshalb den Kampagnen gewidmet: gegen Ausländerfeindlichkeit, für AIDS-Hilfe, die UNICEF, die Menschenrechte, den Frieden und das Öko-Auto. Es treten auf: der Werbefachmann, der sich laut Lilienthal nicht als „Sklave des Herstellers, sondern als Regulativ versteht“. Die Fernseh-Designerin (Angela Zumpe), deren neues Konzept von n-tv als zu kritisch abgelehnt wurde. Reinhard Hauff, der das Image für den deutschen Film aufpolieren will. Die Performerin (Regina Frank), die im Schaufenster auftritt. Die Kulturwissenschaftlerin (Carrie Assman), die als gemeinsamen Nenner von Werbung und Kunst den Fetisch untersucht. Der Dichter (Burroughs, Brinkmann), der Werbung haßt, aber ihre Techniken schon vor zwanzig Jahren übernommen hat. Lilienthal: „Nicht Produkt-, sondern Subjektwerbung.“ Interdisziplinäres macht sich immer gut, und die typisch deutschen Berührungsängste zwischen Werbung und Kunst kann man der Abteilung „Film und Medien“ wahrlich nicht vorwerfen.
Am Wochenende wird im Rahmen der Akademie erstmals der „Breaking Walls Award“ vergeben: eine hochkarätige (Dennis Hopper, Margarethe von Trotta, Blixa Bargeld u.a.) und auch mit Laien (Akademiepräsident Walter Jens) besetzte Jury verleiht einen Werbefilmpreis. Regisseur Lilienthal mutmaßt beim Pressegespräch, die Kollegen von der bildenden Kunst hätten sich ein solches Thema wohl kaum vorgenommen, allein wegen der Infragestellung der Autorschaft bei einem Werbespot. „Das sind die Dinos, wir von Film und Medien sind die Straßenköter.“ Auch ein Regisseur erzählt nicht gern, daß er Clips gegen Bezahlung liefert; erst kürzlich verneinte Wim Wenders die entsprechende Frage eines Kollegen. Die Akademie weiß es besser: Der Mann hat gelogen. Auf die Frage, wie er denn verhindern wolle, daß pfiffige PR-Menschen die Akademie als Ideenbörse und Kaderschmiede mißbrauchen, gesteht Lilienthal ein wenig naiv, er habe nichts dagegen. Dennoch beteuert er, die Sommerakademie sei keine Messe, kein Kongreß, keine Orgie der Selbstreferenz, sondern ein Schauplatz für Aufklärung.
Kein leichtes Vorhaben: Man will die Verführung entlarven und sich hinterher weiter fröhlich verführen lassen, bloß in die richtige Richtung. Warum soll man die Wirkung von Werbung infrage stellen, wenn sie sich erfolgreich für Menschenrechte einsetzen läßt? Und stell Dir vor, alle lieben die Sparmobil-Reklame, aber keiner kauft's? Der Programmlektüre zufolge spart die Akademie das Dilemma, daß gute, also witzige oder ästhetisch anspruchsvolle Werbung nicht unbedingt der guten Sache dient, jedenfalls weitgehend aus. Die Japaner als Avantgardisten ohne Ökobewußtsein fehlen jedenfalls komplett. Auch Benetton wird bestimmt wieder nur im „Tabu“-Seminar diskutiert.
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