Sanssouci: Nachschlag
■ Der Gesang: tadellos. Die H-Monists im Saalbau Neukölln
Bei ihnen steht der kleine grüne Kaktus nicht draußen am Balkon. Eher in Lappland, in der Turnhalle, im Western-Saloon, im Hammelstall oder im Bestattungsinstitut. Und dies sind nur einige der imaginären Kulissen, die das Berliner A-capella-Quintett H-Monists an einem Abend durchsingt. „Elche steh'n und lauschen ...“, das neue Programm der fünf Herren (drei Tenöre, zwei Bässe) ist nicht nur ein Konzert, sondern eine Mixtur aus Chanson, Cabaret, Comedy, heimgearbeiteten Sketchen und skurriler Rezitiererei. Musik von Schubert über Kreisler bis zu den Beatles, Texte von Schwitters über Jandl bis Gernhardt.
Fünfstimmiger Un- und Schwachsinn. „Ich pisse in den Sand, Madame“, heißt es da. Oder: „Mir ist mein Nachbar explodiert.“ Auch pathetische Reime wie dieser sind zu hören: „Und die Meere rauschen / den Choral der Zeit / Elche stehen und lauschen / in die Ewigkeit“. Hier geht es nicht um Ikea, auch nicht um die Kritiker der Elche, die früher selber – aber worum geht es dann? Die H-Monists wissen es auch nicht: „Elche steh'n und lauschen? Welche steh'n und tauschen? Elfen späh'n und rauschen? Kelche geh'n und schnaufen?“ Egal.
Der Gesang des Quintetts, das einst aus dem Ensemble der Neuköllner Oper hervorging, ist meistenteils tadellos, die Choreographie hinreißend beknackt, Deko Fehlanzeige, Selbstironie vorhanden. Manchmal, wenn während der glatteren Nummern ungute Erinnerungen an Realschul-Aulen, Stadthallen oder Familienfeiern hochkommen, wünscht man sich mehr Drastik, mehr Absurdität. Doch die H-Monists sind ja keine Musikclowns, sie sind Frackträger (auch wenn sie mit diesem Kleidungsstück einiges anstellen, was der Herrenausstatter gar nicht gerne sieht). Sie schätzen das simple, fast stille Schräge. Ganz so, wie sie ihre Tätigkeit, das Singen definieren: „Die Lippen. Erster Teil: die Oberlippe. Zweiter Teil: die Unterlippe. Umkehrung. Erster Teil: die Unterlippe. Zweiter Teil: die Oberlippe. Überlagerung: die Lippen. Der Mund. Er ist offen. Er ist zu. Sie sehen hinein. Sie sehen nicht hinein.“ kotte
H-Monists, „Elche steh'n und lauschen“, Neuköllner Oper, 30. 6., 2. 7., 7.-9. 7., 14.-16. 7. jeweils 20 Uhr, Karl-Marx-Straße 131-133
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