Der Kurfürstendamm ist sauber

Die „City Cops“ feiern Geburtstag / Seit zwei Jahren im Dienst der Geschäftswelt des Kurfürstendamms / Die OG City-West ist auf dem Weg zum zehntausendsten Platzverweis  ■ Von Volker Eick und Sabina Strunk

„Die wissen, wenn der Wagen auftaucht, daß wir da sind“, sagt Kriminalhauptkommissar Jürgen Gustavus von der OG City-West am Steuer des Wagens stolz. Die blaue Polizeiwanne ist das Markenzeichen der „City Cops“. Wenn sie sich nähert, heißt es für alle, die nicht ins Bild einer sauberen Metropole passen, verschwinden. Sonst gibt es Ärger mit der Polizei.

Gustavus ist Leiter der Spezialdienststelle Operative Gruppe City-West der Polizei und zusammen mit seinen 22 BeamtInnen für die Sicherheit auf Berlins erster Touristenmeile, dem Kurfürstendamm, verantwortlich. Seit genau zwei Jahren zeigt der blaue Gruppenwagen der OG City-West im „heißen“ Einsatzgebiet in der Umgebung des Breitscheidplatzes Präsenz – für die ansonsten in Zivil arbeitende Truppe und gegen unerwünschte Personen.

Am 1. Juli 1993 nahm die OG City-West erstmalig ihren Dienst auf. Die Geburt der Truppe war nicht einfach, aber davon wollen die Beteiligten heute nichts mehr wissen. Den wiederholten Vorwürfen der Arbeitsgemeinschaft City e.V. (AG City), dem Zusammenschluß der Geschäftsleute auf dem Ku'damm, die Polizei zeige zu wenig Präsenz auf der Straße und vernachlässige die berechtigten Profitinteressen der AG-City-Mitglieder, wurde mit der Aufstellung der Gruppe begegnet.

Hütchenspieler aus dem Kosovo und fliegende Händler, die den ahnungslosen wie spiellüsternen Touristen das Geld aus der Tasche zogen, hatten fortan wenig mehr zu lachen. Erst zogen sie sich auf einige wenige Punkte an der Luxusmeile zusammen, in der Hoffnung, dort in Ruhe gelassen zu werden. Aber selbst in den Nebenstraßen wurden sie von den Geschäftsleuten nicht geduldet.

Die Interessen und Begehrlichkeiten der AG City aber richteten sich nicht nur gegen die Halbwelt aus dem Spielermilieu. Auch Obdachlose, Punker und gammelige Figuren sollten verschwinden. Mit Aufforderungen, das „Spielfeld“ zu verlassen, wurde mit der Vertreibung begonnen. Mit Razzien und dem Verbot des Aufenthalts auf der Straße endete die Aktion. Der Ku'damm sollte sauber werden. Heute, nach zwei Jahren Polizeieinsatz, ist er sauber.

Daß die AG City zusätzlich noch einen privaten Sicherheitsdienst für den Ku'damm unterhält, tut der Polizei mittlerweile auch nicht mehr weh, die Zusammenarbeit funktioniert gut. Die Aufstellung der Polizeitruppe wird insgesamt als Erfolg gewertet. 3.651 Platzverweise weist die Jahresbilanz 1994 der OG City-West aus. 855 vorläufige Festnahmen wurden verzeichnet, 431 Strafanzeigen gegen die Übeltäter geschrieben und 421 ausländerrechtliche Strafanzeigen gestellt. Allein 1994 wurden 6.981 Personen überprüft.

Informeller Infopool aus Plausch und steilen Ohren

Zielrichtung der Einsätze, so Gustavus, sei es, „ein bestimmtes Klientel aus der Dunkelheit herauszuholen, zu identifizieren und damit die Hemmschwelle des Täters hochzusetzen, Straftaten zu begehen“. Polizeipräventive Maßnahmen sollen im Vorgriff eine Straftat verhindern, indem ein Platzverweis ausgesprochen wird. Nur stellt sich die Frage, wie die Polizei einen potentiellen Straftäter erkennt.

Viele Informationen gelangten auf informellen Wegen an die Dienststelle, freut sich Gustavus. Der Kontakt zu Geschäftsleuten und BürgerInnen sei das große Plus der Dienststelle. Auch mit der Bahn AG und deren Sicherheitskräften sowie mit dem Bundesgrenzschutz, der seinen Dienst am Bahnhof Zoo versieht, werde gut zusammengearbeitet, erklärt Gustavus. Die Leute seien bei einem kleinen Plausch mit der OG City- West auch eher bereit, eigene Beobachtungen mitzuteilen. Ob sich nun ein Geschäftsmann über „die Schwarzen aufregt, die sich stundenlang an einer Tasse Kaffee festhalten“, ob AnwohnerInnen sich über Spritzenfunde ärgern oder Touristen 100 Mark beim Hütchenspiel verlieren – die OG City dient als Ansprechpartnerin und definiert, was polizeilich relevant ist.

Im Unterschied zum uniformierten KOB, der zwar ähnliche Aufgaben erfüllt, sie aber als Einzelperson kaum in polizeiliche Maßnahmen umsetzen kann, sind die Schutz- und Kriminalbeamten der OG City-West durchaus auch praktisch tätig. Denn das Konzept der operativen Gruppe besteht nicht nur darin, Informationen zu sammeln. Gewonnene Erkenntnisse werden in polizeiliche Aktionen umgesetzt. Dabei wird zugelangt, gepackt, observiert, verhaftet, ausgesperrt. Da die OG City- West dabei auf Einsatzkräfte anderer Dienststellen wie der Bereitschaftspolizei zurückgreifen kann und selbst keine Anzeigen bearbeiten muß, kann sie sich, befreit von bürokratischen Zwängen im täglichen Dienst, ganz ihrem Einsatzgebiet mit all seinen Erscheinungsformen widmen.

Das heißt konkret: Überwachung und Beobachtung verschiedener Szenen oder Gruppen, die sich dort aufhalten, gezielte Razzien, die Aussprechung von Platzverweisen oder die vorläufige Festnahme. Die „helfenden“ Männer und Frauen der Ku'damm-Polizei sind zuständig für alle polizeilich relevanten Problematiken in der City-West. Wo das subjektive Sicherheitsempfinden von BürgerInnen und TouristInnen tangiert ist, werden nicht nur Hütchenspieler, Taschendiebe und sonstige Kleinkriminelle, sondern auch Obdachlose, Straßenhändler, Stricher, (ausländische) Jugendliche präventiv des Platzes verwiesen.

Sogenannte Platzverweise rechtlich zulässig

Daß im Netz, mit dem die OG City-West auf Kriminalitätsfang geht, auch solche hängen bleiben, die nicht gegen ein Strafgesetz verstoßen und sich selbst keiner Ordungswidrigkeit schuldig gemacht haben, stört das Rechtsempfinden des Dienststellenleiters nicht, damit müsse man leben.

Es gehört nach Angaben der Dienststelle zur Routine, bei Observationen einer Szene Lichtbildaufnahmen der Verdächtigen zu machen. Und bis auf einen Fall im vergangenen November, bei dem Jugendliche fotografiert wurden, habe sich auch noch niemand daran gestört. Tatsächlich erlaubt das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) die Beobachtung und die Aufnahme von Lichtbildern Verdächtiger an sogenannten gefährlichen Orten.

Zur Gefahrenabwehr ist zudem die Erteilung und zwangsweise Durchsetzung von Platzverweisen rechtlich zulässig. Inwiefern DrogenkonsumentInnen und Obdachlose eine Gefahr darstellen, weiß allerdings auch Gustavus nicht so recht zu erklären, hält er Fixer doch für kranke Menschen, denen eigentlich geholfen werden müßte. Statt dessen fährt die OG City- West, verläßt die unerwünschte Person nicht freiwillig den Ort, diese in der 24 Jahre alten Wanne zur Jafféstraße, wo keine BürgerInnen sind, die sich an ihrem Anblick stören könnten.

Für die OG City-West geht es auch nicht in erster Linie um konkrete Gefahren, die es zur Sicherheit der BürgerInnen abzuwehren gelte. Auch über die Erfolge, die polizeilich zu erzielen sind, macht man sich dort keine Illusionen. Den Drogenhandel könne man nicht gänzlich verhindern. Dafür habe man aber den Bereich so im Griff, daß er beim Normalbürger und beim Touristen kein Unsicherheitsgefühl hervorruft, erklärt Gustavus.

Bei den sozialen Organisationen, die auf dem Ku'damm nur dort arbeiten, wo das AG City und Polizei beziehungsweise Senat zulassen, hält sich die Begeisterung über die Aktionen und den Handlungsraum freilich in Grenzen.

Kirchliche Obdachlosenvertreter, Drogenberatungsstellen wie Fixpunkt e.V. oder S.T.R.A.S.S. e.V. kritisieren nicht nur das häufig unsensible Vorgehen der Polizei, sondern haben auch kein Verständnis dafür, daß soziale Probleme polizeilich gelöst werden sollen. Rückendeckung aber haben Gustavus und seine Leute nach wie vor im Innensenat, auch wenn Innenstaatssekretär Armin Jäger rechtzeitig vor der Oktober- Wahl das sinkende Heckelmann- Schiff gen Mecklenburg-Vorpommern verlassen hat.

Konsum-Cops für den sauberen Ku'damm

Regelrecht begeistert ist Manuela Remus-Woelffling, Geschäftsführerin der AG City. „Das ist ideal, und besser kann man sich das nicht vorstellen. Und das Ergebnis kann man auch sehen“, beschreibt sie den sauberen Ku'damm. Beim Innensenat ist ein Gesprächskreis angesiedelt, der die Beschwerden der Geschäftsleute bündelt und in Maßnahmen umsetzt. Sicherer Konsum und saubere Profite sind das Resultat. Ihre Privatpolizei freilich, den CM Sicherheitsdienst, will sie behalten, weil „die Leute wollen, daß das bleibt“.

Für einen kritischen Anwohner allerdings stellt sich das anders da: „Doppelt hält besser, und die Polizei müssen die ja nicht mal bezahlen.“

Die AutorInnen arbeiten an der FU Berlin. Ende Juli erscheint ein Schwerpunktheft zu „Großstadt und Polizei“ in der Cilip-Redaktion Bürgerrechte & Polizei.