■ Scheibengericht
: Rudy & Nini Flores

Argentine-Chamame-Musique du Parana (Ocora/Helikon C560052)

Kaum ein anderes Land der Erde wird so stark mit einem bestimmten Musikstil identifiziert wie Argentinien mit dem Tango. Dabei werden die mehr als dreißig anderen regionalen Musiktraditionen des lateinamerikanischen Landes übersehen, weil sie den Sehnsüchten der Europäer nach weltverlorener Melancholie und sinnlicher Erotik nicht zu entsprechen scheinen.

Eine der populärsten Stilrichtungen ist der Chamame, der im Norden Argentiniens daheim ist. Während der Tango sich im Klang des Bandoneons ausdrückt, leiht diesem Tanzstil das Akkordeon seine Stimme, das von Legionen italienischer Einwanderer im letzten Jahrhundert ins Land gebracht wurde. Ursprünglich war der Name Chamame – er ist der indianischen Guarani-Sprache entlehnt – als Schimpfwort in Gebrauch, um schlecht aufgeführte Volkstänze zu bezeichnen. Als der Chamame sich ab den dreißiger Jahren als eigenständiges musikalisches Genre etablierte, kamen große Orchester mit mehreren Gitarristen und Akkordeonspielern in Mode. Mit ihrem kraftvollen Sound konnten sie sich bei Tanzveranstaltungen auch gegen mehrere hundert Besucher Gehör verschaffen. Heute wird der Musikstil hauptsächlich von kleineren Ensembles präsentiert, wobei die Kombination von Akkordeon und Gitarre zu den beliebtesten zählt.

Die Brüder Rudy und Nini Flores bilden ein solches Gespann. Die beiden entstammen einer Musikerdynastie aus Corrientes. Schon ihr Vater Avelino Flores war ein bekannter Chamame-Interpret und Komponist, in dessen Orchester sie die Musik von der Pike auf gelernt haben. Die beiden sind so ambitionierte Künstler, die dermaßen kunstvoll und virtuos musizieren, daß bald Sehnsucht nach etwas rauheren Tönen aufkommt. Wo sind die „Campfire Tapes“ aus der argentinischen Pampa?