Sanssouci: Nachschlag
■ Die Abgründe des Gestaltungswahns: „Das Bild vom Möbel“ bei Mobile Metallico
„Ich hasse Design!“ Harte Worte, aber die Künstlerin Betty Stürmer weiß, wovon sie spricht. Als ehemalige Designstudentin kennt sie die Abgründe des zeitgeistig-kommerziellen Gestaltungswahns. In gehobener Form feiert dieser seit kurzem wieder fröhliche Urständ in den Heimen der „happy few“ – und scheint den BewohnerInnen durch das Signum kaum bezahlbarer Exklusivität eine exzeptionelle Identität zu sichern. So ist Stürmers Exponat in der Ausstellung „Das Bild vom Möbel“ denn auch paradigmatisch für die Komfort- und Statusversprechen, die die schöne Möbelwelt suggeriert: Beinahe in Orginalgröße auf Plexiglas gebracht ist das schattenrißartige Abbild dreier Rokoko- Interieurs – Sofa, Stühlchen und Konsole. Nur zur Hälfte ist dies eine Hommage an die Epoche der Bequemlichkeit, vor allem aber eine ironische Verweigerung, die in der Aufforderung gipfelt: „Sit down and feel comfortable!“
Mehr praktischen Nutzen haben da schon die „Kulissendesignmöbel“ von Heinz A. Landes. Unter dem Motto „Alles nur Theater“ stellt er durchaus solide gebaute Schränke aus, die ihre gängigen Einrichtungskatalogen entnommene Ausstattung bereits mitbringen. Als großformatige Fototapete sind Sektgläser, Nippes und Preisangebot auf die Türen montiert. Lieferbar ist auch eine bunte Standuhr, an der alles, bis aufs voll funktionstüchtige Uhrwerk und die Zeiger, aufgemalt ist. Raumteiler- Ausmaße hat der beidseitig begehbare riesige Kleiderschrank von Stiletto. Deko ist das Brandenburger Tor, oben Quadriga, unten PassantInnen, mit dem Titel „Hüben wie Drüben“. Zeitgeschichte als Einrichtungserlebnis. Designer Stiletto ist auch Sammler der Holzinstrumente von Christian Specht, Non-Apparate, die eine Schreinerei für ihn anfertigt. Die ganze Galerie des zeitweiligen taz-„Hausfotografen“ hängt von der Decke: die berühmte Holzkamera, mit der Specht auf Demos „fotografierte“, klanglose Gitarren und detailgetreue Aufnahmegeräte.
Es ist bereits die dritte Ausstellung in der Werkstatt von Mobile Metallico, die sich ansonsten vor allem dem Prototypenbau für italienische Firmen widmet und verschiedene freischaffende GestalterInnen in den Fabrikräumen im Scheunenviertel vereint. Die Kombination der selbst angefertigten anspruchsvollen Möbel mit den ausgestellten ironisch-spielerischen Lösungen ist für sie kein Widerspruch, sondern willkommene Kritik am designerischen Ernst und Einerlei. Gudrun Holz
Bis 26. 8., Di.–Sa. 13–19 Uhr, Mobile Metallico, Joachimstr. 11, Mitte
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