: Härtefallkommission im Würgegriff
■ Die Innenverwaltung möchte die Arbeit des "Beratungsgremiums für ausländerrechtliche Härtefälle" einschränken / SPD-Staatssekretärin Korthaase spricht in einem Schreiben von einem massiven Eingriff
Die Innenverwaltung will künftig die Arbeit der Härtefallkommission erschweren. Das Gremium verhilft jährlich über hundert Ausländern auf dem Wege der stillen Diplomatie zu einem Aufenthaltsrecht. Nun plant Innensenator Dieter Heckelmann (CDU), die Zahl der Fälle mit einem komplizierten Anmeldebogen vorab auszusieben. Bislang gilt: Außergewöhnliche humanitäre Einzelfälle können von der Ausländerbeauftragten und den unabhängigen Vertretern in der Kommission selbst zur Sprache gebracht werden.
Das der Innenverwaltung unterstehende Gremium hat lediglich beratende Funktion. Ihm gehören unter anderem zwei von SPD und CDU berufene unabhängige Persönlichkeiten, die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) und die Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, Helga Korthaase (SPD), an. Das Gremium war 1990 unter Rot-Grün eingerichtet worden und wurde von der Großen Koalition weitergeführt.
Zufall oder geschickter Schachzug des Innensenators: Ausgerechnet der Ehemann von SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer forciert in seiner Funktion als Leiter der zuständigen Abteilung IV die Regelungen, durch die die Einflußmöglichkeiten der Ausländerbeauftragten John beschnitten werden. Pikanterweise ist deren Büro wiederum der Senatsverwaltung von Senatorin Ingrid Stahmer zugeordnet.
Für die Innenverwaltung begründet Abteilungsleiter Stahmer die neue Gangart mit der hohen Zahl der Anmeldungen sowie „Personalengpässen“ seiner Abteilung. Laufende Fälle könnten so „erst im Oktober“ abgearbeitet werden. Ziel sei es, die Zahl der Anmeldungen „auf ein vertretbares Maß“ zurückzuführen.
Ein Großteil der noch offenen Verfahren soll nach dem Willen der Innenverwaltung direkt an das Landeseinwohneramt (LEA) weitergeleitet werden. In Fällen, in denen das LEA einen Widerspruch abgelehnt hat, will die Innenverwaltung anhand des Anmeldebogens überprüfen, „ob die vorgetragenen Tatsachen nicht offensichtlich ungeeignet sind, eine Härte oder einen dringenden persönlichen oder humanitären Grund darzustellen“. Sollte dies zutreffen, erhielte der Fall den Vermerk: „Zur Beratung offensichtlich ungeeignet“.
Der Vorstoß der Innenverwaltung stößt bei der Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Arbeit, Korthaase, auf Ablehnung. In einem von der Ausländerbeauftragten John mit unterschriebenen Brief wirft sie der Innenverwaltung massive Beeinträchtigung vor: „Eine Beschränkung der Anmeldungen auf Fälle mit einem bestimmten Verfahrensstand bedeutet eine grundlegende Einschränkung der Arbeit des Beratungsgremiums und steht im Widerspruch zum parlamentarischen Beschluß, der zur Einberufung des Gremiums geführt hat.“ Korthaase erinnert daran, daß der ehemalige Staatssekretär der Innenverwaltung, Armin Jäger (CDU), bei der konstituierenden Sitzung der Kommission im Juni 1992 auf ein formalisiertes Verfahren verzichtete. Diesem Übereinkommen sei die „im wesentlichen zufriedenstellende Arbeit“ des Gremiums zu verdanken. Korthaase, die bereits den Ausländerausschuß informierte, wehrt sich auch gegen den stillschweigenden Vorwurf, die Härtefallkommission werde mißbraucht. Vor jeder Anmeldung erfolge eine „sorgfältige, verantwortungsbewußte Prüfung durch das jeweilige Mitglied des Gremiums“. In etlichen Fällen sei auf eine Beratung verzichtet worden, weil inhaltliche Gründe dagegen gesprochen hätten oder den Betroffenen anderweitig geholfen werden konnte. Die Pläne der Innenverwaltung stellten hingegen eine „Bürokratisierung“ dar.
Keinen Grund zur Aufregung sieht der Sprecher der Innenverwaltung, Thomas Raabe. Die beratende Funktion der Härtefallkommission werde durch die Vorabanmeldung keinesfalls „qualitativ“ verändert. Es gehe lediglich darum, das Verfahren zum Zwecke der Arbeitsentlastung zu vereinfachen.
Gremiumsmitglied Traudl Vorbrodt, von der SPD entsandt, spricht hingegen von einem „unverständlichen Schritt“. Die Argumente der Innenverwaltung seien „fadenscheinig“, meint die Mitarbeiterin von Pax Christi. Es sei zwar richtig, daß die Zahl der ausstehenden Fälle hoch sei. Dies könne aber kein Grund für Restriktionen sein, zumal mehrere Sitzungen der Kommission wegen Krankheit einzelner Mitglieder ausgefallen seien. Severin Weiland
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