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Ein zweifelhafter Weg aus der Erwerbslosigkeit

■ Ohne Eigenkapital, fachliche Kompetenz und eine marktgerechte Idee stößt der Wunsch nach Unternehmensgründung bei Kreditgebern erst mal auf Bedenken

Wie Zahlen lügen können: In den Einkommensstatistiken rangieren „Selbständige“ zwar weit vor den ArbeitnehmerInnen, tatsächlich aber sind die Verdienstunterschiede zwischen den Selbständigen enorm. 30 Prozent der Selbständigen im Westen (Osten: 78 Prozent) geben ein monatliches Nettoeinkommen von weniger als 2.500 Mark an*. Wer es nach oben geschafft hat, kann dagegen absahnen: Jeder fünfte Selbständige hat monatliche Einkünfte von mehr als 8.400 Mark. Bei den abhängig Beschäftigten ist dies nur jeder Zwanzigste**.

Die Hoffnung, irgendwann einmal das wirklich große Geld zu machen, geht einher mit der Angst vor dem Absturz. Denn die Dynamik in der Unternehmenslandschaft habe „beständig zugenommen“, berichtet Michael Bretz, Sprecher des Verbands der Vereine Creditreform (das sind die marktführenden Wirtschaftsauskunfteien). Insgesamt zählt Creditreform 2,6 Millionen Betriebe in Deutschland. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 380.000 Unternehmen neu angemeldet, gleichzeitig aber 290.000, vor allem wegen Betriebsaufgaben oder Standortverlagerungen, aus den Registern gelöscht. 11.000 Unternehmen wurden zahlungsunfähig, darunter 4.000 im Osten.

Die Pleite bedeutet dabei nicht unbedingt lebenslange Verschuldung des persönlich haftenden Gesellschafters. Zumeist einigt sich die Bank Jahre später auf die Rückzahlung nur eines Bruchteils der Summe und löscht dann den Schuldtitel, nach dem Motto: Wenig ist besser als gar nichts. Insider sprechen da von einer „Vergleichsquote“ von durchschnittlich zehn Prozent der Schuldsumme.

Was sind nun die „sicheren“ Gründungen? Zum Beispiel Handwerksbetriebe: Sie sind im Durchschnitt weniger von Konkursen betroffen als beispielsweise Spezialbaufirmen oder Unternehmensberatungen. Die große Welle der Gründungen im EDV-Bereich dagegen sei inzwischen vorbei, so Bretz. In vielen „modischen“ Branchen wird außerdem ohne ausreichende fachliche Kompetenz gegründet. Wer nach dem Germanistikstudium ohne Kontakte und betriebswirtschaftliche Kenntnisse eine Film-Casting- Agentur aufmachen will, wird sich schwertun. Auch der Abiturient, der in die „Event-Gastronomie“ einsteigen möchte, wird wohl eher auf den Kredit von Papi zurückgreifen müssen als von den Banken Geld bekommen.

Möglichst 20 bis 30 Prozent Eigenkapitel, fachliche Kompetenz und eine marktgerechte Idee sind gute Voraussetzungen. „Die meisten unterschätzen die Kosten für die Anfangsphase“, stellt der Creditreform-Sprecher fest. In den ersten Jahren ist wenig Umsatz zu erwarten, dafür sind die Kreditzinsen und -tilgungen, die Betriebs- und Personalausgaben und der Lebensunterhalt zu finanzieren.

Das Auf und Ab der Selbständigen-Existenz gehört zum Lebensgefühl von Millionen: Immerhin fast jeder zehnte der Erwerbstätigen in Deutschland ackert auf eigenes Risiko. Mehr als ein Drittel der Selbständigen im Westen arbeiten in Ein-Personen-Unternehmen, darunter besonders viele weibliche GründerInnen. In den Existenzgründungsseminaren des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) sitzen zu 20 Prozent Arbeitslose. Daß die Existenzgründung aber eher ein zweifelhafter Weg aus der Erwerbslosigkeit ist, zeigt ein Blick über die Grenzen. In Großbritannien hat eine neue Untersuchung vom Institute of Manpower Studies ergeben, daß sich besonders Frauen, junge Leute und Arbeitslose selbständig gemacht haben. Viele von ihnen drängten in schon überfüllte Dienstleistungsgewerbe. Die Hoffnung auf neue und vor allem qualifizierte Beschäftigungspotentiale erfüllte sich nicht. Das Verarmungsrisiko dieser Gruppe ist dreimal so hoch wie bei den Unselbständigen.

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