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Neuer Schlapphut

■ Eduard Vermander wird Verfassungschutz-Chef / Derzeit leitet der 58jährige Berliner den schwäbischen Geheimdienst

Gebildet, loyal und zurückhaltend – Eduard Vermander, Berlins künftiger Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), eilt der Ruf eines staubtrockenen Staatsbeamten voraus. „Welcher Stuttgarter weiß heute, wer und was Vermander ist?“ fragte sich 1987 die Stuttgarter Zeitung bei seiner Verabschiedung als Polizeipräsident der Schwabenmetropole.

Die gestrige Entscheidung des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) führt den gebürtigen Berliner nach jahrzehntelanger Abwesenheit wieder zurück an die Spree. Vermanders Karriere gleicht einer lückenlosen Verwaltungslaufbahn: Nach einem Jurastudium wurde er Anfang der 60er Assistent an der Universität Tübingen, 1967 Richter am Landgericht Hechingen, ein Jahr später Staatsanwalt in Stuttgart. In den siebziger Jahren war er Abteilungsleiter beim Landeskriminalamt in Baden-Württemberg, 1977 Karlsruher Polizeipräsident. Nach seiner siebenjährigen Tätigkeit an der Spitze der Stuttgarter Polizei leitete er 1987 für ein Jahr als Rektor die Fachhochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen, bevor ihn 1988 der konservative CDU- Innenminister Schlee zum Chef des baden-württembergischen Verfassungsschutzes machte.

Der für August vorgesehene Wechsel vom eher ruhigen Stuttgarter Amt zum skandalumwitterten Berliner Verfassungsschutz wird dem heute 58jährigen monetär versüßt. Bislang erhielt er rund 9.100 Mark Grundgehalt, sein neuer Posten als BV-Stelle auf Lebenszeit ist mit 10.400 Mark dotiert – nicht mitgerechnet die diversen Zulagen, die Vermander als Vater zweier Kinder noch erhalten dürfte.

Als Nachfolger von Heinz Annußek wartet auf Vermander ein unruhiger Job. Das 300 Mitarbeiter zählende Berliner LfV machte zuletzt beim Mykonos-Anschlag von sich reden, bei dem vier iranische Oppositionelle erschossen wurden. Zum mutmaßlichen iranischen Drahtzieher des Attentats, der derzeit in Berlin vor Gericht steht, hatte das LfV Kontakt.

Vor Vermanders Wechsel nach Berlin bahnt sich innerhalb des LfV neuer Ärger an. Der derzeitige LfV-Stellvertreter Müller will gegen seine Versetzung in eine andere Abteilung klagen. Ob Vermander das Amt – wie von der SPD gefordert – aus der geheimnisumwitterten Ecke herausführt, ist fraglich. Zwar beteuerte sein Stabsstellenleiter Matthias Schenk gestern, man habe in Stuttgart „verstärkt auf Öffentlichkeitsarbeit und Hintergrundgespräche“ gesetzt.

Vermanders Auftreten beweist eher das Gegenteil. Als Anfang der achtziger Jahre in Stuttgart Häuser besetzt wurden, lud er zwar als Polizeipräsident die Bürger zum Gespräch, ließ aber seine Stellvertreter reden. Bei einem Polizeieinsatz während eines Druckerstreiks entzog er sich einem Interview, indem er in der Menge verschwand. Die konservativ-liberale Stuttgarter Zeitung kommentierte Vermanders Verhalten mit einem Satz: „Sich niemals in die Nesseln setzen.“ Severin Weiland

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