: Bremer Betonmischer
Die große Koalition verspricht mehr Naturvernichtung durch Straßenbau, als sie halten kann ■ Aus Bremen Klaus Wolschner
Zähneknirschend hat am Wochenende der SPD-Landesparteitag dem Koalitionsvertrag mit der CDU zugestimmt, zähneknirschend wählten die SPD-Abgeordneten gestern die vier CDU-Senatoren mit. Die meisten wären lieber eine Koalition mit den Grünen eingegangen – nicht, weil in den Sachfragen mehr Übereinstimmung existierte, sondern weil die SPD die Macht nicht hätte teilen müssen. Die CDU hat in den Verhandlungen erreicht, daß sie neben den Ressorts Finanzen und Inneres auch die für Wirtschaft und Stadtentwicklung/Bau besetzen kann.
Ein „inhaltliches Übergewicht der CDU“ sei entstanden, sorgte sich beispielsweise Wolfgang Grotheer, einer der Kandidaten für den SPD-Parteivorsitz. Zu viele gestaltende Kompetenzen seien an die CDU gegangen, während SPD-SenatorInnen in Ressorts wie Soziales, Gesundheit oder Bildung nur die Sparmaßnahmen vertreten müßten.
Was die CDU wirklich gestalten kann, ist noch nicht ganz ausgemacht. Denn dafür gibt der Koalitionsvertrag wenig her. 600 Millionen der Schuldenlast müßten jedes Jahr getilgt werden, hatte der CDU-Spitzenkandidat Ulrich Nölle vor wenigen Monaten gefordert. Der angehende Finanzsenator Nölle schweigt zu dem Thema. Wenn er mehr sparen will, kann er nicht mehr investieren. Wird Bremen nun zubetoniert? „Schwerpunkt der Verkehrspolitik ist die Sicherung der Erreichbarkeit des Oberzentrums Bremen bei gleichzeitiger Minderung der verkehrsbedingten Umweltbelastungen“, lautet der erste Satz im Verkehrskapitel der Koalition.
Der Widerspruch ist kaum übertüncht. Nirgendwo soll aber eine hochgepflasterte Straßenbahntrasse einer Autospur geopfert werden, keine neue Brücke soll über die Weser gebaut werden. Die Martinistraße, die die City von der Weser trennt, muß für den Autoverkehr untertunnelt werden, forderte die CDU als Opposition. Weil das nicht finanzierbar ist, steht es nicht im Koalitionsvertrag. Von der besseren „Erreichbarkeit der City“ wird übrigbleiben, daß man Berufstätige zum Umstieg auf den ÖPNV motivieren will – ein sinnvolles Projekt der alten Ampelkoalition.
Auch ein anderer Straßentunnel, der dem in den 70er Jahren mitten in die Stadt gesetzten neuen Daimler-Benz-Werk dienen soll, wird vorerst nur weiter geplant und nicht gebaut. Lang ist zwar die Liste der Straßenprojekte, die im Koalitionsvertrag als „vordringlich“ aufgeführt sind. In die mittelfristige Finanzplanung, die die neue Koalition von der vielgescholtenen Ampelregierung zunächst einfach übernommen hat, passen nur wenige davon hinein.
Schon die rot-gelb-grüne Vorgängerregierung hatte ein weitreichendes Gewerbeflächenprogramm beschlossen. Aber die Konjunktur war in den letzten Jahren nicht danach. Nur wenige Flächen dienten wirklich der Neuansiedlung von Betrieben mit Arbeitsplätzen, hoch ist der Anteil von innerstädtischen Umsiedlungen mit Rationalisierungsabsicht.
Nur ein Öko-Opfer ist sicher: Auf die während der Ampelkoalition zum symbolischen Streitobjekt hochgespielte Hemelinger Marsch, die zum guten Schluß auch noch Vogelschutzgebiet werden sollte („Piepmatz-Affaire“), werden die Bagger rollen.
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