: Unterschriften gegen alte Säcke - halleluja!
■ Riesenerfolg des "Kirchenvolksbegehrens" in Österreich / Eine halbe Million KatholikInnen haben sich daran beteiligt
Wien/Berlin (dpa/taz) – Heute soll Bischof Johann Weber, der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz, in Empfang nehmen, was seit Wochen in Österreich für Furore sorgt: Fast eine halbe Million Unterschriften unter das „Kirchenvolksbegehren“, mit dem die Basis der katholischen Kirche grundlegende Veränderungen der verkrusteten Strukturen fordert. Die Basis spielt nicht mehr mit – Religionspädagoge Thomas Plankensteiner von der Plattform „Wir sind die Kirche“, die die Unterschriftenaktion initiierte, kann zufrieden sein. Er will jetzt auf der Grundlage der Unterschriftenaktion mit einer „Kirchenversammlung“, einem neu zu schaffenden Gremium, die Diskussion voranbringen. Das fordert auch die Grünen-Bundessprecherin Madeleine Petrovic – für sie ist die „Niederlage für die Fundamentalisten rund um Bischof Kurt Krenn“ ein Zeichen der Hoffnung.
Daß es gärte an der Basis der katholischen Kirche in Österreich, war schon seit langem offenkundig. Immer wieder hatte es Proteste und Kritik gegeben, wenn dem Kirchenvolk erneut ein erzkonservativer Bischof vorgesetzt wurde, wenn Rom wieder einmal unerbittlich blieb in der Ausgrenzung von wiederverheirateten Geschiedenen. Trotzdem hatte kaum jemand erwartet, daß sich mehr als eine halbe Million ÖsterreicherInnen den Forderungen des „Kirchenvolksbegehrens“ anschließen würden. Die Forderungen sind revolutionär: volle Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche, Abschaffung des Zwangszölibats, positive Bewertung der Sexualität, Überwindung der Kluft zwischen Klerus und Laien, „Frohbotschaft statt Drohbotschaft“.
All das rüttelt an den Grundfesten der katholischen Kirche, wie sie von Papst Johannes Paul II. repräsentiert wird, und trotzdem hat eine halbe Million Menschen das – natürlich nicht bindende – „Kirchenvolksbegehren“ unterschrieben. Das ist fast die Hälfte der etwa 1,2 Millionen aktiven ChristInnen.
Schon bevor das endgültige Ergebnis vorlag, hatten etliche Bischöfe erkannt, daß sie angesichts dieses „Aufstands des Kirchenvolks“, so das Nachrichtenmagazin profil, nicht einfach zur alten Tagesordnung übergehen können. Plötzlich wurde von allen Seiten Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Der Galionsfigur der Konservativen unter den Bischöfen, dem ebenso streitbaren wie schwergewichtigen Bischof von St. Pölten, Kurt Krenn, blieb es vorbehalten, die Rebellion der Basis auf eine Weise abzuqualifizieren, die einen Sturm der Entrüstung im Lande auslöste: Er verglich das Volksbegehren mit der Abstimmung über den Anschluß Österreichs an Hitler-Deutschland im Jahre 1938 und sprach von einer „Irrtumsanfälligkeit des Volkes“. Man wird, schrieb Standard-Kolumnist Peter Michael Lingens, „Bischof Krenn wahrscheinlich nicht daran hindern können, das Ergebnis dahingehend zu interpretieren, daß 5,6 von rund 6 Millionen österreichischen Katholiken die Kirche offenbar so wollen, wie sie ist“. Und mit Krenn, der sich in einem Interview als „Garant dafür, daß die Kirche sich nicht ändern wird“, bezeichnete, wird die von der Basis geforderte Reform ebensowenig zu verwirklichen sein wie mit dem Wiener Erzbischof Hans Hermann Groer. Dessen beharrliche Weigerung, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen der sexuellen Belästigung Minderjähriger zu äußern, hatte die Initiative zu dem Volksbegehren mit ausgelöst. Aber die Zeichen mehren sich, daß die amtlichen Tage beider Kirchenfürsten gezählt sein könnten.
„Hans Hermann Groer ist längst zum Honecker der österreichischen Kirche geworden, zu einem der Wirklichkeit gegenüber verständnislosen Greis, und Kurt Krenn zu dessen Erich Mielke“, kommentierte profil-Herausgeber Hubertus Czernin. Sollte der Vatikan an Groer und Krenn und an den von ihnen vertretenen Positionen festhalten, dann, so fürchten mittlerweile auch österreichische Bischöfe, droht der katholischen Kirche des Landes die Spaltung.
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