: Senat fördert die Verpackungskultur
■ Selbst nach der zweiten Bestätigung der Verpackungssteuer will Berlin weder Müll vermeiden noch Millionen verdienen
Auch in der Zeit nach Christo sind Verpackungen in Berlin gern gesehen: Denn trotz möglicher Steuereinnahmen von mehreren Millionen Mark und der Vermeidung Tausender Tonnen von Abfall hat Berlin kein Interesse an einer Verpackungssteuer. Selbst nach der Bestätigung der Kasseler Verpackungssteuer durch das Bundesverwaltungsgericht und den Hessischen Verfassungsgerichtshof vor wenigen Tagen und guten Erfahrungen mit dieser Art von Müllvermeidung und Steuereinnahmen in Frankfurt/Main ist eine Steuer auf Einweggeschirr in Restaurants „nicht akut“, hieß es aus der Umweltverwaltung.
„Es gibt eigentlich keinen vernünftigen Grund, die Verpackungssteuer nicht einzuführen“, meint Jörg Hennerkes vom Deutschen Städtetag. Doch die Berliner Verwaltung will erst die nächste Klage vor dem Bundesverfassungsgericht abwarten und hofft laut Finanzsenator Elmar Pieroth und Umweltsenator Volker Hassemer auf eine „bundeseinheitliche Regelung“ – für die es aber bisher keinen Termin gibt.
Andere Städte und Gemeinden sind wesentlich weiter als die Müll- Hauptstadt. Neben Kassel hat vor allem Frankfurt unter Führung des grünen Stadtkämmerers Tom Koenigs dem Verpackungsmüll den Kampf angesagt: Seit Januar 1995 müssen Gaststätten für Einweggeschirr blechen: 40 Pfennig pro Dose oder Flasche, 50 Pfennig pro Teller, 10 Pfennig pro Besteckteil. Bereits im ersten Quartal 1995 nahm Frankfurt über 300.000 Mark ein – außerdem verzichtete die Geschäftswelt größtenteils auf Einweg. Selbst den Fast-food- Giganten McDonald's brachten die Frankfurter dazu, auf Mehrwegverpackungen umzusteigen. „Die Steuer bringt zwar auch Geld in die Kasse, dient aber vor allem der Müllvermeidung“, sagt Peter Postleb von der Frankfurter Umweltverwaltung. „Ihre Einführung war eine politische Entscheidung zur Müllvermeidung.“
Eine solche Entscheidung gibt es in Berlin nicht. 1992 scheiterte die grüne Fraktion mit dem Entwurf einer Verpackungsverordnung im Parlament, obwohl die Abgeordnete Judith Demba dem Finanzsenator vorgerechnet hatte, Berlin könne so jährlich „insgesamt 42 Millionen Mark mehr Steuern einnehmen und 30.000 Tonnen Müll vermeiden“. Das wiederum bestreitet die Umweltbehörde: Höchstens 9.000 Tonnen und damit 0,3 Prozent des Gesamtmülls ließen sich vermeiden, meint Carlo Zandonella, Referatsleiter Abfallwirtschaft, doch auch er findet „den pädagogischen Effekt nützlich“. Eine solche Signalwirkung mit geringem Verwaltungsaufwand fordert auch Judith Pinn, Abfallberaterin und BUND-Expertin in Müllfragen. Immerhin plane Hassemer, den Berliner Müll bis zum Jahr 2005 um die Hälfte zu reduzieren. „Die Vermeidung von jährlich 150.000 Tonnen ist aber mit den bisherigen Instrumenten der Verwaltung illusorisch“, sagt Pinn. „Da sind 9.000 Tonnen extrem viel.“ Bernhard Pötter
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