piwik no script img

Ein Mann ist keine Altersvorsorge

■ Eine Versicherungsagentur schnürt individuelle Versicherungspakete für Frauen

Svea Kuschel gründete vor fast zehn Jahren die erste Versicherungsagentur von Frauen für Frauen in München und veröffentlichte zahlreiche Publikationen zum Thema „Frauen und Geld“.

taz: Warum haben Sie eine Frauen-Versicherungsagentur gegründet?

Kuschel: Einmal aus persönlicher Betroffenheit. Nachdem ich zwölf Jahre lang Hausfrau und Mutter war, hatte ich das Gefühl, ich müßte mindestens bis 120 arbeiten, um von meiner Rente leben zu können. Dann habe ich festgestellt, daß es bei anderen Frauen ebenso schlecht aussah. Männer stehen nicht nur bei den gesetzlichen Rentenversicherungen viel besser da. Sie haben zum Teil drei Lebensversicherungen abgeschlossen, während die Frauen eher so ein kleines Sterbegeld bekommen sollen. Ich hab mich selbständig gemacht mit dem Wunsch, Frauen darüber zu informieren, daß sie selbst die Dinge in die Hand nehmen müssen und der Mann keine Altersvorsorge ist.

Und wie läuft das Geschäft?

Das erste halbe Jahr passierte fast gar nichts. Dann aber haben mich Frauen weiterempfohlen, und mein Geschäft wuchs. Frauen werden immer anspruchsvoller, und genau deshalb kommen sie häufig zu mir. Viele erzählen mir, daß sie vorher bei einem Mann zur Beratung waren und sein Fachchinesisch nicht verstanden hätten. Er habe ihnen die Entscheidung vorgeben wollen. Andererseits passiert es mir heute noch, daß Frauen sich bei mir beraten lassen und sehr zufrieden sind. Dann aber rufen Sie drei Tage später an und sagen: Seien Sie mir nicht böse, ich mach' den Abschluß jetzt bei einem Nachbarn oder sonst einem Mann.

Welche Frauen kommen zu Ihnen?

Manche Frauen sind erst 24 und wissen schon genau, was sie wollen. Zwischen 30 und 35 kommen fast keine; da ist wohl die ruhigste Zeit im Frauenleben. Ab 40 geht es dann wieder massiv los. Da stellen die Frauen fest, daß die Zeit rast, und wollen etwas für sich tun.

Inwieweit haben Frauen und Männer unterschiedliche Bedürfnisse bei Versicherungen? Gibt es spezifische Unterschiede?

In einem Frauenleben gibt es oft größere Schwankungen als bei einem Mann. Darauf wird in der Branche traditionell überhaupt keine Rücksicht genommen. Die typischen Beispiele sind so konstruiert: Mann, 35, verheiratet mit einer Hausfrau und zwei Kindern. Die Frau wird immer noch vom Mann abgeleitet – ist der Mann versichert, ist die Frau versorgt, heißt es. Die Frau, die allein für sich sorgt, wird nicht angesprochen. Solange dieses Denken in den Köpfen ist, kann keine andere Beratung stattfinden.

Gibt es gute Frauenangebote?

Ja, sicher. Es ist kein Geheimnis, daß ich von Frauenprodukten nicht viel halte. Frau ist nicht gleich Frau. Je nach Situation braucht sie unterschiedliche Angebote. Es geht nicht an, daß man ein Paket schnürt und sagt, das paßt für alle Frauen. Frauen brauchen eine ganz individuelle Versicherung und Versorgung.

Kümmern sich Frauen angemessen um ihren Versicherungsschutz?

Die meisten Frauen brauchen einen äußeren Anstoß – sie erben und stehen mit viel Geld da, sie lassen sich scheiden oder werden selbständig. Aus einem inneren Bedürfnis kommen nur wenige.

Zu welchen Versicherungen raten Sie einer Frau?

Wenn sie nicht grad im Geld schwimmt, sollte sie erst einmal sich selbst in den Vordergrund stellen. Sie sollte dafür sorgen, daß sie abgesichert ist fürs Alter oder wenn sie krank oder Invalidin wird. Und sie sollte vorsorgen, wenn sie jemandem Schaden zufügt und sie dafür haften muß. Ob sie ihr Fahrrad versichert hat oder nicht, ist weniger entscheidend. Das wird ihr Leben nicht finanziell aus der Bahn werfen.

Was kostet Ihre Beratung?

Wenn die Frauen zu einer allgemeinen Beratung kommen, kriegen sie nach drei Monaten eine Rechnung über 80 Mark plus Steuern. Werden sie Kundinnen, zahlen sie bei mir nichts. Die dem Arbeitskreis Versicherungs- und Finanzexpertinnen für Frauen angehörenden elf Frauen handhaben das aber ganz unterschiedlich. Interview: Annette Jensen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen