: Ein Denkmal aus Uran
Im thüringischen Ronneburg sollen strahlende Geröllhalden aus dem Uranerzbergbau unter Denkmalschutz gestellt werden ■ Aus Ronneburg Klaus Stark
Einheimische nennen sie spöttisch die „Titten von Ronneburg“. Die hundert Meter hohen kegelförmigen Geröllhalden an der Autobahn von Gera nach Dresden sind so etwas wie ein Sinnbild für den Uranerzbergbau durch die Wismut AG. Von dort wurde jahrzehntelang die Sowjetunion mit Bombenstoff für den Kalten Krieg versorgt. Geht es nach dem thüringischen Landesamt für Denkmalpflege, dann bleiben die Gebilde mit der „signifikanten Prägung“ den Ronneburgern auch künftig erhalten. Wegen ihres „künstlerischen Erlebniswertes“, wie es wörtlich in einem Schreiben an die Stadtverwaltung heißt.
„Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen“, empört sich Gerhard Zacharias vom Kirchlichen Umweltkreis. Und auch der stellvertretende Bürgermeister von Ronneburg, Bernhard Bonk, versteht die Welt nicht mehr. „Das ist wohl ein schlechter Scherz.“
Die ästhetischen Vorstellungen der thüringischen Denkmalschützer sind in der Tat schwer nachvollziehbar. Immer wieder wurden in der Vergangenheit auf dem Wismut-Gelände enorm hohe Radioaktivitätswerte gemessen – das Österreichische Ökologieinstitut entdeckte am Fuß einer Halde einmal das Zwanzigfache der natürlichen Strahlung.
Nach dem gültigen Sanierungskonzept soll der hoch belastete Abraum in das große Tagebaurestloch bei Ronneburg gekippt werden. Damit will man zumindest im Fall der Kegelhalden verhindern, daß weiter radioaktives Radon an die Atmosphäre abgegeben wird und daß der Wind noch in Jahrtausenden Radium- und Uranstaub über die Landschaft bläst.
Das Erfurter Landesamt ficht das nicht an. Stellt die künstlich geschaffene Mondlandschaft doch nach Ansicht der Konservatoren „anschaulich wirtschafts- und sozialgeschichtliche Zusammenhänge“ von „überregionalem Rang“ dar. Die Beamten sind sich ihrer Sache so sicher, daß sie der Stadt im Rahmen des laufenden Anhörungsverfahrens nicht die geringste Chance einräumen: „Die Eintragung des ausgewählten Ensembles in das Denkmalbuch kann auch erfolgen, wenn die Gemeinde ihr Benehmen hierzu verweigert.“
Während Vize-Bürgermeister Bonk alle Hebel in Bewegung setzt, um wenigstens eine Fristverlängerung herauszuschinden, argwöhnen Umweltschützer, es könnten unbekannte Kräfte im Spiel sein, die die aufwendige Sanierung stoppen wollen. Aber selbst in der Wismut-Zentrale in Chemnitz hält man wenig von dem eigenwilligen Vorstoß. Über die Restaurierung eines Förderturms, meint Pressesprecher Johannes Böttcher, lasse man ja mit sich reden. „Aber die Halden können in der derzeitigen Form auf keinen Fall erhalten werden.“
Auch beim thüringischen Umweltministerium hat das kuriose Schreiben „ein bißchen Verwirrung ausgelöst“. Uwe Barth, zuständig für die Wismut-Sanierung: „Es ist sicher nicht denkbar, das Tagebaurestloch offen zu lassen.“ Und wie erklärt er sich, daß die Denkmalschutzbehörde heute schon jede bauliche Veränderung innerhalb des Wismut-Komplexes von ihrer Genehmigung abhängig macht? „Ich gehe davon aus“, sagt Barth diplomatisch, „daß diese Leute vom Strahlenschutz so wenig Ahnung haben wie ich von der Denkmalpflege.“
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